Amory | Das Lied des Sterntauchers | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Amory Das Lied des Sterntauchers

Rote Männer auf grünen Matten

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

ISBN: 978-3-86300-157-5
Verlag: Männerschwarm, Salzgeber Buchverlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieser Roman aus dem Jahr 1966 ("Song of the Loon") ist zugleich Ausdruck wie Katalysator eines wachsenden schwulen Selbstbewusstseins. Der Autor orientiert sich an amerikanischen Gründungsepen wie "Lederstrumpf" und "Pocahontas" und beschreibt eine Reise in die unerforschte Wildnis als Abfolge sexueller Begegnungen mit Trappern und Indianern. Schließlich stößt der Held zur "Gesellschaft der Sterntaucher", die eine lustvolle Alternative zum Selbsthass der puritanischen Pilgerväter lebten.

Amory schildert die erotischen Szenen mit einem pathetischen Überschwang, der den Übersetzer der deutschen Erstausgabe 1971 ("Rote Männer auf grünen Matten") wohl dazu verleitet hat, die Handlung mutwillig zu veralbern. Dabei hatte dieses klassische Kultbuch durchaus eine "ordentliche" Übersetzung verdient. Wir präsentieren deshalb hier erstmals die wahre Geschichte um Ephraim McIver, Träumender Bär und ihre weißen und roten Freunde, den sicherlich meistverkauften schwulen Erotikroman sowohl in Amerika wie in Deutschland.
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ERSTES BUCH Es war ein strahlender Tag. Die Maisonne stand hoch am Himmel, ihre Strahlen durchdrangen das Dickicht der Douglaskiefern, wo sie die blassgrünen Nadeln reflektierten; das Licht sammelte sich in Seen von tiefem Blau. Das Wasser des Umpqua, das in feinen Kristallen vom Paddel tropfte, war von dunklerem Grün – die Wellen, die das Kanu erzeugte, verliefen im Schatten weißer Erlen unter dem Laubgeflecht des Jungfernahorns. Ein Eichelhäherpaar schrie hoch oben in den Wipfeln, dann zog es mit heiseren Rufen fort in die Wälder. Im Sonnenlicht glänzte das Haar des Mannes wie neues Kupfer; er trug kein Hemd, und seine muskulösen Schultern spannten sich an und streckten sich beim Paddeln, auf seinem Rücken bildeten sich Knoten und Mulden. Das Haar auf seiner Brust glänzte vor Schweiß, und die kleinen Härchen, die sich in einer dünnen, dann immer breiteren Linie über seinen Bauch zum Nabel hinab zogen, klebten flach auf den wogenden Muskeln. Er hielt ein. Die Häher kehrten zurück, sie schrien noch immer. Da vernahm der Mann ein anderes Geräusch, das von einem Ort flussaufwärts zu ihm drang, ein leiser, hohler Ton. Er verstummte, dann war er wieder da. Er paddelte weiter, sein Boot glitt geräuschlos über das stille Wasser nah am Ufer. An einer Biegung des Flusses hielt er von Neuem ein. Knapp fünfzig Meter flussaufwärts saß ein Indianer, er lehnte sorglos an einem umgestürzten Baum und spielte auf einer hölzernen Flöte. Auch er trug kein Hemd, und sein offenes schwarzes Haar fiel ihm bis über die Schultern. Sein Brustkorb war breit und glatt, seine Hüfte schmal und geschmeidig, so biegsam wie eine Weidenrute. Der weiße Mann paddelte näher heran und lauschte der fremdartigen Musik. Der Indianer hatte ihn bemerkt, hörte jedoch nicht auf zu spielen. Erst als das Kanu aufs Ufer zuhielt, brach er ab und legte die Flöte neben sich auf den Boden. Schweigend betrachteten sie einander. Als das Boot das Ufer erreicht hatte, erhob sich der Indianer. Seine Augen, dunkel und funkelnd wie Obsidian, ruhten auf dem weißen Mann. Er zog das Kanu auf den Sand. «Du bist Ephraim MacIver», sagte er ruhig. «Ja», sagte der weiße Mann und erhob sich ebenfalls. Er warf sich ein Hemd über, ohne es zuzuknöpfen, dann stieg er ans Ufer. «Woher kennst du meinen Namen?» «Astoria ist nicht weit. Und du warst lange unterwegs.» Der Indianer setzte sich wieder und griff nach seiner Flöte. «Es gab Schwierigkeiten», sagte Ephraim. Er zog das Kanu vollends ans Ufer und begann, sein Gepäck herauszunehmen. «Nicht hier», sagte der Indianer. «Ich bringe dich flussaufwärts zu einer Hütte. Dort verstecken wir das Kanu.» «Jetzt?», fragte Ephraim. «Wenn es dir recht ist.» Der Indianer stand auf und nahm das Paddel. Mit einer Handbewegung forderte er Ephraim auf, sich in die Mitte des Kanus zu setzen, dann stieß er das Boot vom Ufer ab und stieg mit einer anmutigen Bewegung hinein. «Dreh dich zu mir», sagte er, «damit wir reden können.» Und als Ephraim sich vorsichtig zu ihm herumgedreht hatte, fragte er: «Was waren das für Schwierigkeiten?» Ephraim starrte auf die langen, sanft durchmuskelten Arme des Indianers und auf das Spiel der Sehnen beim Paddeln. «Kennst du in Salem einen Mann, der sich Mr Calvin nennt? Die Indianer nennen ihn Donner in den Kiefern.» «O ja», sagte der Indianer. «Ich kenne ihn gut. Von ihm lernte ich die englische Sprache.» «Du bist zu seiner Schule gegangen?» «Ja. Viele Jahre lang, doch dann lief ich fort.» Er schwieg. «Sein Weg war nicht der meine.» «Er kennt mich», sagte Ephraim. «Ich musste mich verstecken.» «Das ist schlecht. Sehr schlecht.» «Aber er ist mir nicht gefolgt. Acht Tage lang habe ich mich am Siuslaw versteckt und gewartet, um zu sehen, ob er mir folgte, aber er hat meine Spur verloren. Er glaubt, dass ich den Willamette entlang nach Süden gegangen bin, oder nach Westen, vielleicht den MacKenzie hinauf. Er wird mich nicht finden.» «Vielleicht hast du recht, aber er vergisst niemals.» Der Indianer paddelte eine Zeit lang schweigend und mit gerunzelten Brauen. «Mein englischer Name war Daniel. Mr Calvin hat mir den Namen gegeben, um mich zu einem Christen zu machen; als ich fortlief, legte ich den Namen ab und wurde wieder ein Indianer. Mein indianischer Name ist Singender Reiher.» *** In einem Erlengehölz brachte er das Kanu ans Ufer, und sie zogen es weit fort vom Fluss und versteckten es im Unterholz. Mit großer Sorgfalt beseitigten sie am Ufer des Flusses alle Spuren ihrer Landung. «Falls Mr Calvin hier vorbeikommt, lässt er sich vielleicht dadurch täuschen», murmelte der Indianer, «aber ich glaube, Mr Calvin ist weit fort.» Zum ersten Mal lächelte er Ephraim zu und zeigte seine kräftigen, geraden Zähne. Die Hütte war ein Windschutz aus Zweigen und Rinde; eine Seite war mit Fellen verhangen. Ephraim legte sich ins Gras, die Augen halb geschlossen, den Kopf auf einen Arm gebettet. Mit der anderen Hand kraulte er das vom Schweiß verklebte Haar auf seiner Brust. Singender Reiher nahm seine Flöte und spielte eine lange, langsame indianische Melodie; dabei betrachtete er Ephraim. Plötzlich hörte er auf. «Hat dir der alte Mann in Astoria – der Mann, den sie Ixtlil Cuauhtli nennen –, hat dieser Mann dir ein Zeichen gegeben?» «Ja», sagte Ephraim. Er stützte sich auf den Ellbogen und griff in seine Tasche. «Hier ist es.» Er zog einen ledernen Beutel hervor. Singender Reiher öffnete ihn behutsam und sah hinein. «Das Zeichen des Sterntauchers», sagte er und gab Ephraim den Beutel zurück. «Vor dir hat es noch niemand gesehen», sagte Ephraim. Singender Reiher nahm wieder die Flöte und spielte eine zarte, leicht dahintreibende Melodie, die emporstieg wie Rauch zwischen Bäumen. Als er geendet hatte, betrachtete er Ephraim. «Du bist sehr schön», sagte er sanft. Ephraim nahm einen tiefen Atemzug und schloss die Augen. «Das bist du auch», erwiderte er. «Was für ein stattlicher Mann du bist.» Schweigend lagen sie da und lauschten dem Schrei der Häher. Schließlich erhob sich Singender Reiher. «Es ist gut», sagte er. «Wir werden jetzt essen, dann gehen wir zum Fluss.» Er ging zum Windschirm und kehrte mit zwei geschmorten Kaninchen zurück, die noch warm waren, außerdem geröstetem Mais und Trockenobst. «Dies habe ich heute Morgen gekocht», sagte er, «ich dachte, heute könntest du kommen. Ich hatte recht – du bist gekommen.» Er warf Ephraim aus seinen dunklen Augen einen warmen Blick zu und begann, die Kaninchen zu zerlegen. «Erzähl mir davon», sagte Singender Reiher, als sie sich niedergesetzt hatten, um zu essen, «erzähl mir, wie du Ixtlil Cuauhtli begegnet bist.» Ephraim dachte lange nach, bevor er antwortete, und er überlegte, wie offen er sein sollte. Schließlich murmelte er: «Er hat mich am Strand gefunden, ich war krank und lag dort auf dem Sand –» Singender Reiher sah Ephraim nachdenklich an. «Er nahm dich mit in seine Hütte?», fragte er. «Ja», antwortete Ephraim. «Er war sehr gut zu mir.» «Warum lagst du dort krank im Sand?», fragte Singender Reiher behutsam. Wieder dachte Ephraim sorgfältig nach, bevor er antwortete. Er wollte die ganze Geschichte erzählen, doch er wusste nicht, ob er dem Fragenden vertrauen durfte. Er seufzte tief und antwortete stockend. «Ich war einem Freund gefolgt – einem Freund, den ich aus dem Osten kannte. Wir waren zusammen nach San Francisco gegangen, doch plötzlich war er verschwunden, und es gelang mir, ihm auf dem Schiff nach Astoria zu folgen. Dort verlor ich ihn endgültig aus den Augen –» Verwirrt versank er in Schweigen und aß von dem gerösteten Mais. Singender Reiher kaute an einer Kaninchenkeule und wartete schweigend, dass Ephraim fortfuhr. «Ich – ich war unglücklich und verzweifelt, ich verlor den Kopf und brachte mich in Schwierigkeiten. Schließlich endete ich am Strand, wo Ixtlil Cuauhtli mich fand. Ich redete lange Zeit im Delirium, der alte Mann hörte mir zu, er sprach mit mir und machte mich gesund. Jetzt bin ich auf dem Weg zu dem weisen Mann, dem Medizinmann in der bemalten Höhle.» Er zögerte, dann schwieg er wieder. Singender Reiher lehnte sich zurück und blickte in die Tiefen des Waldes. Sein Gesicht war ruhig. «Der Mann, nach dem du suchtest – war er dein Geliebter?» Erschrocken wirbelte Ephraim herum und starrte auf das Profil des Indianers. Er konnte Singendem Reiher nicht in die Augen blicken und sah verlegen zu Boden. «Ja», sagte er bitter, «aber ich denke nicht mehr an ihn. Er ist fort und hat keine Macht mehr über mich.» «Ich beginne zu verstehen», murmelte der Indianer. «Den … – nun, manchen Leuten geschieht so etwas sehr oft.» Er drehte den Kopf ein wenig, und sein Blick fiel auf Ephraims...


Richard Amory hieß mit bürgerlichem Namen Richard Love und hat sein Autor-Pseudonym zu Amory latinisiert. Love wird 1927 in Oregan als Sohn eines Lehrerehepaars geboren. Er leistet Militärdienst, muss allerdings nicht am Krieg teilnehmen. In Mexiko City studiert er Anthropologie und arbeitet seit 1956 als Lehrer. 1957 heiratet er, 1958 wird das erste von drei Kindern geboren. Anfang der 1960er Jahre beginnt er ein Aufbaustudium, und an seinem Arbeitsplatz an der Universität beginnt er mit der Arbeit an Song of the Loon. 1970 trennt er sich von der Familie, tritt der "Society of Individual Rights" (SIR) bei und schreibt regelmäßig für deren Zeitschrift Vector. Love gründet die "Renaissance Group" der schwulen Autoren Dirk Vanden, Phil Andros, Peter Tuesday Hughes u.a. Er stirbt 1981.

Für sein Buch "Song of the Loon" erhält er ein einmaliges Honorar von 600 $, obwohl im Laufe der Jahre annähernd hunderttausend Exemplare des Buchs verkauft werden. Er schreibt in schneller Folge zwei weitere Bände der "Loon-Trilogy": "Song of Aaron" (1967) und "Listen, the Loon sings" (1968). 1968 erscheint bereits eine Parodie unter dem Titel "Fruit of the Loon" (eine Anspielung auf die Textilmarke "Fruit of the Loom"). 1970 wird "The Song of the Loon" von Andrew Herbert verfilmt; Amory distanziert sich von dieser Verfilmung.

Amory / Love ist weiterhin sehr produktiv. 1969 veröffentlicht er die Romane "Longhorn Drive", "A handsome young man with class" und "Naked on main street". 1971 folgt der autobiografische Roman "Frost", 1974 veröffentlicht er mit "Willow Song" sein letztes Buch.


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