E-Book, Deutsch, Band 7, 145 Seiten
Reihe: Peter und der Prof
ISBN: 978-3-942822-84-8
Verlag: HEY Publishing GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
»Hab ich schon erwähnt, dass es hier spukt?«
Ich lachte. »Du konntest es wohl nicht länger aushalten, was? Auf den Schmus da habe ich im Grunde schon beim Essen gewartet.«
Der Prof lächelte vielsagend und nahm einen Schluck aus seinem Teebecher. »Na ja. Aber in dem Wald hier wimmelt es von Rätseln, so viel steht fest.«
»Denkst du an geheimnisvolle Flugzeuge ohne Kennzeichen und so?«
Fischen, Futtern, Faulenzen – das war der Plan für Peter und Profs Kurztrip in die norwegische Wildnis. Doch wie so oft im Leben kreuzen unvorhergesehene Dinge (und Menschen) die schönsten Absichten, und das entspannte Männerwochenende ist passé: Entgegen ihrer Abmachung hat der Prof seine Freundin Jorun samt Anhang hinzugeladen, was ordentlich für Verstimmung zwischen den Freunden sorgt. Doch die ist schnell vergessen, als sich unweit ihrer Hütte eine Katastrophe ereignet. Und wenn Menschen in Not sind, gibt es für Peter und den Prof nur noch einen Plan: Helfen!
»Nach dem Orkan« ist der siebte Band der Jugendkrimi-Reihe Peter und der Prof – kein Mensch ist (ill)egal!
Aus dem Norwegischen übersetzt von Gabriele Haefs
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Auf zwei Rädern in die Kurve
Eintopf in der Tasche
Der Schwarzgebrannte
Zwei Königskinder
Bekannte in Sicht
Lkw in der Scheune
Orkan!
Suche
Der Tod ist gelandet
Die Waldfee hat schwarze Augen
Volle Verwirrung, leeres Haus
Das schwarze Schaf
Es kommt Hilfe
Chaos
Die Verwandtschaft rückt an
Ashu
Keine Hoffnung mehr?
»Weiß mir den schönsten Garten ...«
Die Spur führt weiter
Kampf im Hinterhof
Aufwärts
Die Todesfalle
In der wirklichen Welt
Auf zwei Rädern in die Kurve
Gründonnerstag, 08.15: Die Welt platzte gerade vollständig aus den Nähten. Das ist natürlich übertrieben. Nur unsere Bude in der Bentsebrugata, Torshov, fiel auseinander. Mutter suchte nach den Schlüsseln für den Dachboden und unseren Bodenraum, während sie gleichzeitig Klein-My mit einem Käsebrot verfolgte, das My gar nicht haben wollte. Klein-My heulte vor Wut und hämmerte mit ihren Fäustchen auf alles in der Küche ein, was irgendein Geräusch von sich geben konnte. Auf Topfdeckel, Plätzchendosen und irgendein buddhistisches Gebammel, das Mutter aufgehängt hatte, um Jesu Auferstehung zu feiern. Das Radio lief volles Rohr; die schlechten Nachrichten von nah und fern wurden so laut verbreitet, dass die Wände wackelten. Ich selber lief zwischen meinem Zimmer, dem Wohnzimmer und der Küche hin und her und raffte alles zusammen, was ich brauchen würde um einige Tage in der Wildnis zu überleben. Das letzte Buch von Ken Follett, zum Beispiel. Lange Unterhosen und Erdnüsse. Der einzige Ruhige in dieser Versammlung war der Prof. Er saß am Küchentisch, las die letzten Neuigkeiten über Donald Duck, schlürfte dabei heißen Tee und aß ein Leberwurstbrot. Mein Vater war nachts auf einem Fest gewesen und lag bis auf weiteres als Leiche im Schlafzimmer. Ich lief durch die Küche und drehte das Radio auf der Fensterbank aus. Klatschte in die Hände: »Könnt ihr mal bitte kurz die Klappe halten!« Die anderen verstummten und starrten mich blöde an. »Sprich so nicht mit deiner Mutter«, sagte meine Mutter. »Doch!«, widersprach ich. »Genau so. Mir bricht ja schon der Schweiß in den Ohren aus, wenn ich euch sehe!« »Zeig mal!«, befahl Klein-My. »Das Kind muss etwas essen«, sagte meine Mutter, die noch immer das schwachsinnige Käsebrot in der Hand hielt. »Komm einfach mal zu mir, My«, sagte der Prof und bestrich eine weitere Brotscheibe mit Butter. »Dann macht dein Nachbar dir ein Brot, das richtig schmeckt. Was sagst du zu einer dünnen Schicht Erdbeermarmelade mit etwas fein gehacktem Hering und einem Spritzer Mayonnaise?« Klein-My kletterte auf seinen Schoß, um festzustellen, ob es auch in der Welt der Wirklichkeit solche Brote geben konnte. Die gab es. Sie behauptete sogar, es hätte gut geschmeckt. Der Prof grinste. Mutter betrachtete das Käsebrot. »Ja, ja. Leffy kann jeden Moment hier sein, und er hat heute noch einen weiten Weg vor sich. Ich habe versprochen, dass ihr fertig seid, wenn er kommt. Aber die Rucksäcke sind auf dem Boden, und die Schlüssel sind spurlos verschwunden.« Der Prof, der im ganzen Geschrei und Generve offenbar nicht mal gerafft hatte, worum sich die ganze Hysterie drehte, blickte Mutter an und sagte: »Aber um Himmels willen, gnä' Frau, da brauchen Sie Ihren Erben doch bloß einen Stock tiefer zu schicken. Da hausen nämlich meine Eltern. Er soll schön von mir grüßen, dann findet sich bestimmt ein Rucksack. Himmel, diese beiden Frischluftfreaks haben doch den ganzen Kleiderschrank voll. Sie werden vor Freude weinen, wenn sie einen loswerden können.« »Bist du da ganz sicher, Prof?« Mutter war skeptisch. »Deine Eltern wollen doch zu Ostern sicher selber losziehen, wie ich sie kenne.« »Nur Tagestouren«, sagte der Prof und machte sich über ein weiteres Brot her. »Und sie machen sich bestimmt nicht mit einem Rucksack auf dem Rücken und einem vorm Bauch auf den Weg. Hast du nicht gehört, sie haben den Kleiderschrank voll!« »Okay«, sagte Mutter. »Dann frag ich sie mal. Iss du auch endlich was, Peter.« Weg war sie. »Himmel«, sagte ich und ließ mich auf einen Stuhl fallen. »Sonst ist sie nicht so!« »Weiß ich doch«, sagte der Prof. Er und My steckten tief in Entenhausen. »Viele werden zu Ostern nervös. Bei meiner Mutter passiert das zu Weihnachten. Mein Alter dreht meistens um den Johannistag herum durch.« Es war nämlich so, dass wir über den Vater vom Prof über Ostern einen alten, verlassenen Bauernhof hatten leihen können. Der Hof lag mitten im Wald, nicht weit von der schwedischen Grenze entfernt, und hieß »Sagrønningen«. Er war seit zwanzig Jahren unbewohnt. Ich freute mich wie verrückt aufs Leben in der Wildnis. Kein Strom. Wasser aus dem Bach. Nur der Prof und ich und die verwunderten Elche. Der Prof war schon mehrmals mit seinen Eltern dort gewesen. Für mich war es etwas ganz Neues. Wenn meine Eltern mich überhaupt mal auf einen Spaziergang geschleppt hatten, dann hatte mein Vater rasch den kürzesten Weg zu seiner Stammkneipe ausfindig gemacht. »Gibt’s da oben einen Kamin?«, fragte ich und trank kalte Milch. Der Prof blickte auf. »Sei nicht so blöd. Kamine gibst in Ferienhäusern. Für die Gemütlichkeit. Verschlingt Holz und gibt wenig Wärme. Die Leute oben auf Sagrønningen haben da nicht der Gemütlichkeit halber gewohnt, das kann ich dir flüstern.« »Genau!«, sagte Klein-My. »Natürlich bin ich blöd«, sagte ich und tat so, als ob ich kein bisschen verletzt wäre. »Schließlich bist du der Herr des Dschungels. Ich dachte immer, dass Kamine wie blöd einheizen!« »Da oben steht ein riesiger Jotulofen«, erklärte der Prof unbeeindruckt. »Das reine Atomkraftwerk, wenn der erst mal loslegt.« Die Tür wurde aufgerissen. Leffy. Das hatte er sich in der letzten Zeit angewöhnt. Hereinstürzen ohne zu klingeln. »Ach, Jungs! Schon aufgestanden zum Klavierspielen? Hallo, My!« Er gab ihr einen Kuss auf die Wange, und sie schnitt eine Grimasse, auf die keiner von uns besonders achtete. Für sie war Leffy »Onkel« Leffy, übrigens der einzige Onkel, den sie hatte, und das wusste sie zu schätzen. In Wirklichkeit war Leffy überhaupt nicht mit uns verwandt. Er tat nur so, da er keine eigene Familie hatte. Leffy war schon in Ordnung. Jugendfreund meines Vaters. Grauer Pferdeschwanz und Goldring im linken Ohr. Lkw-Fahrer mit Leib und Seele. Er setzte sich ohne seine abgenutzte Lederjacke auszuziehen. »Momentchen noch«, sagte ich. »Meine Mutter holt unten noch meinen Rucksack.« »Willst du damit sagen, dass du noch gar nicht gepackt hast?« Er warf die Salami gleich vom Teller ein. »Alles liegt schon bereit; ich muss es bloß noch reinstopfen.« »Reinstopfen! Herrgott, du bist genau wie dein Vater. Wo steckt der denn übrigens? Liegt wohl noch in der Falle, was?« Er goss sich in Mutters Tasse Kaffee ein. »Rolf!« »Vergiss es«, sagte ich. »Ich glaube, er ist erst um vier nach Hause gekommen.« »Und ich bin seit fünf Uhr auf. Musste ganz allein die Umzugsladung erledigen. Stühle und Tische und ein verdammtes Doppelbett. Und weißt du, wer versprochen hatte, mir zu helfen?« »Ich glaube wohl«, antwortete ich. »Aber es war unrealistisch von dir zu glauben, Vater könnte um diese Tageszeit aufrecht stehen.« »Stimmt«, sagte Leffy und schlürfte Kaffee. »Ich war auch nicht so schrecklich enttäuscht.« Meine Mutter brachte den Rucksack, und ich machte mich ans Packen. Leffy rannte hinter ihr durch die Küche und tat so, als wollte er mit seinen Händen ihren Hintern erwischen. Als er sie endlich in die Ecke beim Spülbecken gedrängt hatte und sie ihm in aller Freundschaft eine runterhaute, stand Vater in der Schlafzimmertür. Er sah aus wie ein langhaariger Fisch, den irgendwer durch die Sahara geschleift hatte. Seine Augen waren so rot wie zwei glühende Kohlen, und er war mit einem Lederriemen um das linke Handgelenk bekleidet. »Meine Fresse«, sagte Vater. Leffy pflanzte Mutter einen Kuss aufs Ohr, sie musste kichern, und er schob sie beiseite. »Zieh deinen Schlips an und geh wieder in die Falle, Alter. Die Frau hier ist viel zu gut für dich.« Er drehte sich zum Prof und mir um. »Wenn ihr euren Schnaps jetzt verstaut habt, hauen wir ab.« Das Wetter war nicht gerade ein Grund zum Hurraschreien. Wir hatten einen grünen Winter gehabt, und es war noch immer grün, aber ein beißender Wind wehte uns den Regen mitten ins Gesicht, als wir über die Straße zu Leffys Lkw gingen. Wir warfen Rucksäcke und Schlafsäcke hinein und setzten uns alle drei ins Führerhaus. »Bist du sicher, dass da oben im Busch kein Schnee liegt?«, fragte ich den Prof, während ich mich besser hinsetzte und anschnallte. Er nickte. »Mein Vater hat heute Morgen mit einem Bauern telefoniert, den er da oben kennt. Die haben den ganzen Winter über keine Schneeflocke gesehen.« Leffy ließ den Wagen an und schaltete die Heizung ein. »Schneeflocken, nein. Aber wenn die Sonne nicht auftaucht, und das wird sie nicht, dann, fürchte ich, müssen wir auf Glatteis hochfahren. Und ich muss den ganzen Weg nach Trysil.« Er schaltete einen Country-Sender ein und drehte die Karre in Richtung Sandakerveien. »Öffne deine Herrrzenstüüüüür!« Wir grölten mit und lachten. Als wir die Stadt verlassen hatten und anfingen, uns in die tiefen Wälder hineinzubohren, kapierten wir, wovon Leffy geredet hatte. Nirgendwo war Schnee, aber Tannen und Kiefern hatten Reif im Bart. Und die Fahrbahn war gefährlich glatt. Leffy, der sonst immer Witze machte und blöde Lügen über das Leben auf den Straßen erzählte, wenn wir mit ihm fuhren, verstummte fast vollständig. Er hielt ein ziemliches Tempo bei, aber ich konnte sehen, dass er sich konzentrierte. »Glatt?«, fragte der Prof. Leffy antwortete, indem er ganz kurz auf die Bremse trat. Einige Sekunden lang schlingerte der Wagen. »Verdammt glatt. Aber macht euch keine Sorgen. Der gute alte Leffy ist schon öfter über Schlittschuhbahnen...