E-Book, Deutsch, Band 3, 135 Seiten
Reihe: Peter und der Prof
ISBN: 978-3-942822-80-0
Verlag: HEY Publishing GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Mutter sah mich über ihre Teetasse hinweg sauer an. »Ich will nicht, dass du so lange hier allein herumhängst. Ein Wochenende ab und zu, okay. Aber nicht so lange. Du bist trotz allem erst fünfzehn.«
»Ja, ich seh’ ja ein, dass das eine Sauerei von mir ist, erst fünfzehn zu sein«, sagte ich. »Aber sogar Vater kann eine Woche lang allein zurechtkommen, wenn das sein muss. Und ich kann viel besser kochen, das musst du einfach zugeben. Ich brauch’ auch keine Hilfe mehr auf dem Klo.«
Vater, der kein Wort gesagt hatte, stand auf und ging ins Wohnzimmer, schaltete sofort das Radio ein.
Feiger Satan!, dachte ich.
Freunde kann man sich aussuchen, seine Familie nicht! Das wird Peter bewusst, als er mit seiner Familie alte Hippiefreunde in Südnorwegen besuchen muss. Einziger Trost: Sein bester Freund Prof Erlandsen begleitet die chaotische Familie auf ihrem Ausflug in die Pampa. Kaum in Steinsund angekommen, wird Reisegruppe Pettersen Zeuge einer Kundgebung von Ökoaktivisten, die gegen den ortsansässigen Chemiekonzern protestieren – bis dessen Vorstand die Vorstellung mit eiserner Faust beendet. Schließlich ist er sich keiner Schuld bewusst: Seine Fabrik recycled sämtliche Abfallprodukte. Fragt sich nur, wie dann das Gift in den Fjord kommt …
Die Umweltaktivisten verfolgen eine Theorie – und liegen komplett daneben. Also beschließen die beiden Hobbydetektive, den Umweltsünder auf eigene Faust zu überführen.
»Giftige Lügen« ist der dritte Band der Jugendkrimi-Reihe Peter und der Prof – natürlich spannend!
Aus dem Norwegischen übersetzt von Gabriele Haefs.
Autoren/Hrsg.
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Unterwegs ins Paradies
Am nächsten Tag ging's los. Ausnahmsweise standen meine Eltern einmal in aller Herrgottsfrühe auf und waren beide total hektisch. Fielen sich pausenlos ins Wort. Konnten sich nicht einigen, was sie mitnehmen und was sie nicht mitnehmen wollten, und benahmen sich überhaupt so, als wären sie nicht älter als My. My hatten sie natürlich auch in Hektik versetzen können, sie wuselte mit nacktem Hintern durch die Wohnung und heulte und stellte sich an. Ich konnte mir diese Ferien schon sehr gut vorstellen: Sie würden überhaupt keine Ferien sein. Mein einziger Trost war, dass meine Eltern und die vom Prof ihm erlaubt hatten, sich an dieser Schwachsinnsexpedition zu beteiligen. Ich würde also wenigstens nicht der einzige Cowboy in diesem Indianerlager da unten sein. Schließlich waren sie dann doch fast fertig. Ich hatte schon am Vorabend gepackt, deshalb hatte ich die ganze Zeit alles unter Kontrolle. Meine Eltern dagegen waren einfach unfähig zu irgendwelchen Vorbereitungen. Wie üblich musste alles in aller Eile und in letzter Sekunde passieren. Und als My es dann noch schaffte, sich eine Sekunde vorm Abmarsch die Hosen voll zu machen, war uns allen klar, dass wir die Straßenbahn getrost vergessen konnten. Während Vater sich die junge Frau unter den Arm klemmte und im Badezimmer verschwand, bestellte Mutter ein Taxi und ich ging nach unten, um den Prof zu beruhigen. Er stand schon mit seinem Rucksack in der Tür. Wenn ich ihn richtig kenne, und ich kenne ihn richtig, dann wartete er schon seit mehreren Minuten. Ich erklärte, dass uns ein bisschen Kacke aufgehalten hätte und dass wir die Straßenbahn verpassen würden. »Mit ein bisschen Glück verpassen wir auch den Zug«, fügte ich hinzu. »Ich hab das Gefühl, das wird alles tierisch komisch werden«, sagte er. Oben warf Vater mit Getöse die Tür ins Schloss, dann kamen alle drei die Treppe heruntergetrabt. Die Mutter vom Prof erschien im Türspalt, um Grüße und Ermahnungen loszuwerden, und dann ging es endlich los. Der Taxifahrer war von der vergrätzten Sorte und im Grunde konnte ich ihn gut verstehen. Zum einen hatten wir ja einen Berg Gepäck, den er im Kofferraum verstauen musste, und dann waren wir auch noch fünf Fahrgäste. Er versuchte auf Vater einzureden, aber der war ausnahmsweise mal erstaunlich entschieden. »Stellen Sie sich einfach vor, die Kleine wäre ein Teddybär«, sagte er und stieg zusammen mit dem Prof und mir hinten ein. Der Teddybär My zappelte und schrie und damit unterhielt sie sich auf dem ganzen Weg zum Bahnhof. Mutter, die vorn saß, versuchte den Fahrer milde zu stimmen und fragte, ob er viel zu tun hätte und anderen Quatsch, aber der Mann ließ keinen Mucks hören, bis wir angekommen waren. Dann sagte er: »Fünfundfünfzig fünfzig.« Nachdem Mutter das Geld aus der Tasche gefischt hatte, verkündete der Prof, dass wir jetzt noch genau fünfundvierzig Sekunden hätten, um den Zug zu erwischen. Wir schafften es in dreißig. »Endlich!«, keuchte Vater, als wir uns schweißnass auf unsere Plätze im Abteil fallen ließen. »Unterwegs ins Paradies!« Ich warf dem Prof einen verzweifelten Blick zu. Draußen erklang das Signal, ein Ruck lief durch den Wagen und die Lokomotive arbeitete sich langsam gen Süden vor. Auf dieser Bahnstrecke werden heiße Würstchen verkauft. Das interessierte meine Eltern allerdings nicht. Krankhaft sparsam, wie sie ja ab und zu sein mussten, hatten sie einen Haufen Butterbrote und eine Thermoskanne mit Kaffee mitgenommen. Der bloße Anblick der Brote gab mir ein Gefühl von großer Pause. Aber jetzt waren doch Ferien! Ich lehnte glatt ab, als die Brote ausgepackt wurden. Der Prof hatte Kopfhörer auf den Ohren und sagte nicht einmal Nein. Schaute in die andere Richtung und hörte DumDum Boys. »Sei doch mal nett«, sagte ich zu Vater. »Spendier mir und dem Prof eine Runde Würstchen.« »Warum denn?«, fragte er uninteressiert und blättert weiter in seiner Zeitung, während er eine Kruste wiederkäute. »Null Nährwert. Und teuer ist es auch.« Mutter sagte kein Wort. Ich hatte das Gefühl, dass es unter ihrer Würde war, etwas so Blödes wie Würstchen auch nur zu erwähnen. Vielleicht hielt sie auch bloß die Klappe, damit nicht auch noch My fixe Ideen über Nahrung ohne Nährwert bekam. Vorläufig hatten sie ihr ein paar Stückchen von einer Brotscheibe aufschwatzen können. Na gut, da war nichts zu machen. Mir hatten sie nicht einmal fünf lausige Øre als Feriengeld gegeben und ich hatte auch nicht vor, mir meine Wurst zu erschleimen. Ich begnügte mich damit, Vater noch ein bisschen anzupöbeln. Aber als die Frau die Minibar draußen auf dem Flur vorbeischieben wollte, erwachte der Prof zum Leben. Mit brutaler Gewalt riss er die Tür auf. Da er die Ohren voll Musik hatte, hatte er von dem üblen Dialog zwischen Vater und mir natürlich nichts mitbekommen. Nun fühlte er sich total ausgehungert, das konnte ich an seiner ganzen Haltung sehen. Und während die DumDum Boys immer noch volle Kanne losröhrten, brüllte er wie alle Leute mit Kopfhörern auf den Ohren, die sich immer einbilden, alle anderen hörten die Musik genauso laut: »Ja, wir brauchen unbedingt Würstchen, gute Frau! Mit Massenhaft Senf und Ketchup! Und eine für die junge Dame hinten in der Ecke. Drei insgesamt, mit Brot und Lompe!« (Anmerkung der Übers.: Lompe ist eine Art weiches Fladengebäck, das zum norwegischen Würstchengenuss einfach unerlässlich ist.) Elegant steckte er die Hand in die linke Hemdtasche und holte einen frisch gebügelten Hunderter hervor. Vater starrte den Hunderter mit einem Gesichtsausdruck an, als ob der Prof gerade ein Porträt des amerikanischen Präsidenten aus dem Hut gezaubert hätte. Ich amüsierte mich, denn ich wusste genau, was in diesem Moment in seiner Birne ablief. Einerseits wollte er sich durchaus nicht in dieses Wurstgeschäft einmischen. Aber andererseits wollte er irgendwie gern in so einer Situation den Familienvater spielen. Und deshalb musste er ganz schnell seine Politik ändern. Mutter hatte sich zum Fenster umgedreht. Ich sah nur ihren Rücken und ihre zuckenden Schultern. Sie gab sich schreckliche Mühe, damit wir anderen sie nicht kichern hörten. Vater sah sie genervt an, dann schob er den Hunderter des Profs beiseite und sagte zu der Verkäuferin, die gerade mit lauten Geräuschen Senf und Ketchup auf die Würstchen gespritzt hatte: »Ja, und dann noch drei Cola!« Er quetschte sich ein ausgefranstes Lächeln ab und fischte einen zerknüllten Fünfziger aus der Tasche seiner ausgewaschenen Jeans. Im Grunde tut er mir ja ein bisschen Leid, dachte ich und biss in meine Wurst. Wie immer war er wohl gerade so abgebrannt wie eine Kirchenmaus und wahrscheinlich hatte Mutter ihm nur ein kleines Taschengeld für Bier und Tabak gegeben. »Danke!«, brüllte der Prof, der noch nicht gerafft hatte, dass Familie Pettersen gerade eine kleine Fehde durchlebt hatte. Vater reagierte überhaupt nicht. Schnappte sich nur noch ein Brot und vergrub sich in der Zeitung. Auf der anderen Seite des Tisches hatte My herausgefunden, dass Senf und Ketchup eine wunderbare Schminke ergeben. Es war natürlich ausgesprochen öde, die ganze Zeit auf unseren Hintern im Abteil zu sitzen, und deshalb beschlossen der Prof und ich uns ein bisschen die Füße zu vertreten, als wir Nordagutu erreicht hatten. Der Prof stürzte zum Klo am anderen Wagenende und ich öffnete das Fenster. »Hinauslehnen gefährlich!«, las ich unter mir auf dem Fensterrahmen, während ich mich so weit wie möglich hinauslehnte. Die frische Luft flog mir mit hundertzwanzig Stundenkilometern ins Gesicht und vertrieb den Gestank der selbst gedrehten Zigaretten meiner Eltern. Als der Prof zurückkam, machte er ein seltsames Gesicht. »Was ist los?«, fragte ich. »Gab's Gespenster auf dem Klo?« Er stellte sich neben mich und schnappte ebenfalls frische Luft. »Im letzten Abteil sitzt ein komischer Vogel«, sagte er. Er trat zurück und warf seine ewigen Drops ein. »Trinkt Bier und quatscht wie ein besessener in sein Handy.« »Himmel, immer diese irrsinnig wichtigen Geschäftsleute« »Aber Geschäftsleute sitzen doch nicht hier in der Bahn und trinken Bier aus der Flasche, oder? Und im Nacken hat er ein grünes Zöpfchen.« »Kommt doch drauf an, was der für Geschäfte macht«, sagte ich. Der Prof sah mich lange an, dann sagte er: »Wir beide stolpern aber auch immer in irgendwelche Geheimnisse.« Wir waren ja auch wirklich schon in reichlich unheimliche Geschichten hineingeschlittert, das konnte ich nicht abstreiten. Wir waren ja auch wirklich schon in reichlich unheimliche Geschichten hineingeschlittert, das konnte ich nicht abstreiten. Aber es war doch eigentlich nicht besonders geheimnisvoll, dass so ein Kerl im Zug saß und Bier trank, während er sich mit seinem Handy unterhielt - auch wenn er ein etwas gewöhnungsbedürftiges Äußeres hatte. »Der ist bestimmt ein Spion«, sagte ich. »Russischer Spion, und jetzt berichtet er zu Hause, ob die norwegischen Würstchen was taugen.« Der Prof gab keine Antwort. Als die Neugier verteilt wurde, stand ich ganz vorn in der Schlange. Also musste ich einen Blick auf diesen Heini werfen. Ich glaubte zwar nicht, dass er Dreck am Stecken hätte, aber trotzdem. Ich schaute in sein Abteil, als ich auf dem Weg zum Klo daran vorbeikam. Er hatte die Füße auf den Sitz gegenüber gelegt. War so Mitte zwanzig. Ich sah ihn nur einen Moment lang und stellte fest, dass er ganz normal angezogen war, das heißt, er trug Jeans. Halblange...