Unserem Freund, Lehrer und Kollegen Gottfried Bitter CSSp zu seinem 70. Geburtstag am 24. Oktober 2006. E-BOOK
E-Book, Deutsch, 278 Seiten, Format (B × H): 165 mm x 240 mm
ISBN: 978-3-86234-033-0
Verlag: V&R unipress
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Dr. Stefan Altmeyer ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn.
Autoren/Hrsg.
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Weitere Infos & Material
1;Inhalt;7
2;Christliche Spiritualität lehren, lernen und leben Fragestellungen und Ziele des Bandes;11
3;Teil I: Grundfragen;17
3.1;Pilger auf verschiedenen Pfaden Geistige und geistliche Suchbewegungen unserer Zeit;19
3.2;Vater, gib mir ein Wort ... Geistliches Lernen in frühmonastischer Zeit;31
3.3;Christliche Spiritualität angesichts von Religionskritik und Theologie der Religionen;37
3.4;Was heißt › Spiritualität‹? Biblische und systematische Klärungen;45
3.5;Leben lernen. Zur geistig- geistlichen Dimension von Lernen und Bildung;61
3.6;Kann man Spiritualität didaktisieren? Bildungstheoretische und beziehungsorientierte Grundlegungen spirituellen Lehrens und Lernens;69
3.7;Sensibilisieren und Einladen. Kommunikationstheoretische Grundlegung einer Spiritualitätsdidaktik alltäglicher Lebensformen;87
4;Teil II: Lebensformen;103
4.1;Klein sein;105
4.2;Sich sehnen – lieben;115
4.3;Aufmerksam sein;121
4.4;Sich anrühren lassen von religiöser Dichtung – am Beispiel Fjodor M. Dostojewskijs;125
4.5;Zweifeln;133
4.6;Mitfühlen – Grundelement christlicher Spiritualität;139
4.7;Mit sich selbst befreundet sein;147
4.8;Staunen können;153
4.9;Mit Namen anreden;161
4.10;Klagen;171
4.11;Danken;177
4.12;Reisen – eine vermittelbare Erfahrungsweise christlicher Spiritualität;185
5;Teil III: Lernwege;193
5.1;Gott denken lernen. Theologiestudium als spirituelle Praxis;195
5.2;» … weil ich durch das Chaos hindurchglaube« Zur Spiritualität der Schöpfung und der Natur;207
5.3;Splendor paternae gloriae Kirchenfenster als Orte spiritueller Erfahrung;213
5.4;Tage religiöser Orientierung Spiritualität im schulischen Kontext;219
5.5;» Einen solchen Glauben habe ich in Israel noch bei niemand gefunden « ( Mt 8,10) Spirituelle Bildungsprozesse in der kirchlichen Jugendarbeit nach dem Weltjugendtag 2005;227
5.6;» Gehet hinaus ...« Weltkirchliche Anregungen zur Spiritualität einer evangelisierend- missionarischen Katechese;235
5.7;Spiritualität und Soziale Arbeit;241
5.8;Spiritualität und befreiendes Lernen am Beispiel Lateinamerikas;249
5.9;Spiritualität und interreligiöses Lernen. Mit Beispielen zum christlich- islamischen Dialog im Religionsunterricht;257
6;Epilog;263
7;Leinwand als Reflexionsraum spiritueller Symboltradition. Max Beckmanns » Große Gewitterlandschaft« (1932);265
8;Auswahlbibliographie Gottfried Bitter;273
9;Verzeichnis der Autorinnen und Autoren;279
"Teil III: Lernwege (S. 192-194)
Rolf Zerfass
Gott denken lernen Theologiestudium als spirituelle Praxis
Es scheint absurd, sich dieses Ziel zu setzen, müssen wir doch, wenn das Wort »Gott« einen Sinn machen soll, davon ausgehen, dass er alle unsere Möglichkeiten ihn zu denken sprengt. Aber dazu bekennt sich ausdrücklich auch die Theologie; sie weiß, dass sie nicht »über« Gott reden kann, sondern allenfalls unter ihm stehend von ihm, gebunden an das Wort der Schrift, über das sie nicht verfügt, das sie allenfalls neu zum Sprechen bringen kann.
Dass ihr dies bewusst ist, spiegelt sich in dem strengen Regelwerk authentischer theologischer Interpretation der Schrift, zu dem alle Teildisziplinen beizutragen suchen – für Außenstehende nicht leicht einsehbar und auch im Inneren, besonders für Studienanfänger, nicht gerade zugänglich, eher verwirrend. Deshalb lohnt es sich, gelegentlich auf elementare Entwürfe zurückzugreifen, wie das Ausbildungskonzept des Pariser Regularkanonikers Hugo von Sankt Viktor (1096–1141). Sein Didascalicon de studio legendi beschreibt die Elementarstruktur theologischen Lernens in faszinierender Einfachheit als Abfolge von fünf Schritten: lectio – meditatio – oratio – operatio – contemplatio (vgl. Didasc V,9; PL 176, 797A–798A).
Die vorliegenden historischen und systematisch-theologischen Interpretationen dieses Werkes (vgl. Ernst 1987, S. 93–109; zum Gesamtwerk und sozialen Umfeld Hugos vgl. Berndt 1999, Chenu 1974) gestatten dem Praktischen Theologen, Hugos Entwurf eher frei, im Beziehungsfeld gegenwärtiger theologischer Didaktik zu kommentieren, d. h. ihn unmittelbar in unsere Kontexte hineinsprechen zu lassen. Er macht es uns leicht, denn seine Sprache ist plastisch, dicht und alltagsnah. Er bringt seine Hörer in Kontakt mit ihren Erfahrungen. Er polemisiert nicht, sondern zeigt wie ein guter Bergführer, wo es lang geht und hört eher einen Satz zu früh auf als zu spät. Er drückt uns eine Landkarte in die Hand und macht uns Mut, einfach loszugehen.
Je weiter wir vorankommen, umso mehr Abstand gewinnen wir freilich auch zu der Route, die wir bisher verfolgt haben. Welche heimlichen Voraussetzungen und verdeckten Ansprüche dominieren unsere Weise, Theologie zu lehren und zu erlernen? Welchen Preis zahlen wir für das, was wir in den letzten tausend Jahren beibehalten, was wir dazugelernt und was wir aus den Augen verloren haben?
Geistes- und theologiegeschichtlich steht Hugo an einer Umbruchstelle: Die Theologie wechselt aus dem Windschatten der großen Abteien (wie Cluny oder Citeaux) in das brodelnde Milieu der neuen Städte (etwa Bologna, Paris, Oxford, Köln, Prag), aus den Händen der Mönchsorden (der Benediktiner und Zisterzienser) in die der Kanoniker an den Domkirchen sowie der neuen Stadtseelsorger: der Bettelorden. Hugos Hörer sind selbstverständlich allesamt Kleriker oder Mönche; sie bringen schon eine gewisse geistliche Bildung mit, aber kennen andererseits im Unterschied zu heute keinerlei ernsthafte Alternativen zu ihrer christlich-abendländisch definierten Lebenswelt."