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E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Alt Ich habe einen Traum!

Die Zukunft der Kirche ist weiblich

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

ISBN: 978-3-451-83099-0
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der Befund ist erschütternd: Seit Jahrhunderten wird die Kirche von starren, männlich dominierten Hierarchien beherrscht. Abgründe der Unterdrückung und des Machtmissbrauchs tun sich auf. Und während eine Krise auf die nächste folgt, kehren immer mehr Christen den Kirchen den Rücken zu. Ist das die Kirche, die Jesus gewollt hat? Der Bestsellerautor Franz Alt sagt: Nein! Die Kirche ist auf dem besten Weg, das Christentum abzuschaffen. Dabei müsste sie es besser wissen.
Am Verhältnis zur Frau erkennt man den Zivilisationsgrad einer Gesellschaft und einer Kirche. Dieser Gedanke stammt nicht etwa von Alice Schwarzer, sondern von Jesus. In seinem neuen Buch schildert Franz Alt seinen Traum von einer Kirche, die ihre eigenen weiblichen Wurzeln endlich ernst nimmt. Im Zentrum steht das Maria-Magdalena-Evangelium, das einzige Evangelium, das nach einer Frau benannt ist, und das das „Evangelium für das dritte Jahrtausend“ werden kann. Bahnt sich nach 2000 Jahren Frauenfeindlichkeit in der christlichen Männerkirche eine Wende an, vielleicht sogar eine Revolution? Manche Träume werden Wirklichkeit.
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II.
„Ich bin Jesuaner“
1. Was hat Jesus wirklich gesagt?
Nach meinen Jesus-Vorträgen werde ich oft gefragt: „Sind Sie eigentlich katholisch oder evangelisch?“ Wenn ich dann sage: „Ich bin Jesuaner“, erlebe ich ungläubiges Staunen. Zur Begründung füge ich hinzu: „Der wunderbare junge Mann aus Nazareth ist mein Vorbild, nicht das, was Theologen 2000 Jahre lang aus ihm gemacht haben. Die wirkliche Reformation kommt weder aus Wittenberg noch aus Rom, sondern aus Nazareth.“ Das eigentliche Problem der christlichen Kirchen ist ihre Jesus-Vergessenheit. Sie sind Christus-versessen und Jesus-vergessen. Das hat wesentlich zu ihren Perversionen geführt. Der Soziologe Anton Mayer bemerkte schon vor Jahrzehnten in seinem Buch Der zensierte Jesus. Soziologie des Neuen Testaments: „Die Evangelisten gebrauchen ‚Jesus‘ zehnmal häufiger als Christus, im ältesten Evangelium (Markus) erhöht sich dieser Unterschied auf 98 Prozent. Bei Paulus kehren sich diese Verhältnisse um. Er sagt Christus häufiger als Jesus und erreicht dabei mehr als 70 Prozent des gesamtneutestamentlichen Gebrauchs.“1 Deshalb haben wir heute eher ein Paulustum als ein Jesustum. Paulus hat eine „Theologie der Obrigkeit“ gepredigt. Er schreibt im berühmt-berüchtigten Römerbrief: „Jeder ordne sich den Trägern der staatlichen Gewalt unter. Denn es gibt keine staatliche Gewalt außer von Gott: die jetzt bestehen, sind von Gott eingesetzt. Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und wer sich ihm entgegenstellt, wird dem Gericht verfallen.“(Röm 13,1–2) „Gehorsam“ ist eines der paulinischen Schlüsselwörter, sogar Gehorsam gegenüber Sklavenhaltern: „Ihr Sklaven, gehorcht den irdischen Herren mit Furcht und Zittern und mit aufrichtigem Herzen, als wäre es Christus.“ (Eph 6,5). Die Paulus-Lehre nimmt im Neuen Testament einen größeren Raum ein als die Jesus-Botschaft. Wir Deutschen haben diese Gehorsamsideologie des Paulus besonders verinnerlicht. Wir wurden – nicht nur unter den Nazis – geradezu ein „Volk der Gehorsamen“, bis hin zur Ausrede „Befehl ist Befehl“ bei den Massenmorden in beiden Weltkriegen. Der Theologieprofessor und evangelische Bischof Martin Dibelius lobt als echter Paulus-Schüler noch im Stalingrad-Jahr 1942 die „christliche Loyalität“ gegenüber dem Nazi-Staat als politische Tugend. Diese Jesus-Vergessenheit hat die Friedenstheologie Jesu in der Bergpredigt verdrängt. An ihre Stelle traten „Heilige Kriege“, Kreuzzüge, „Gott mit uns“-Phrasen und „christliche Milizen“ oder – bei den Nazis – sogar die „SA Jesu Christi“. Kein Wunder, dass in den 2000 Jahren Christentum zehntausende Theologen in den Dienst der politischen Machthaber traten. Dazu Anton Mayer: „In der Weltkriegstheologie waren die Deutschen führend.“2 In dieser grausigen Kriegstheologie waren selbst die Nazis „Werkzeuge der Vorsehung“. Sogar Martin Luther in Wittenberg hat den Ungehorsam gegen die Obrigkeit als größere Sünde gewertet als den Totschlag der Bauern während der Bauernaufstände im 16. Jahrhundert. Und Johannes Calvin in Genf forderte selbst gegenüber tyrannischen Regierungen „Gehorsam“. Beide haben sich auf Paulusbriefe im Neuen Testament berufen können. Und Patriarch Kyrill sieht in Putin bis heute „ein Werkzeug Gottes“. Was hat der historische Jesus aus Nazareth, der Aramäisch sprach, wirklich gesagt und getan? Was davon ist für uns heute relevant? Warum waren die Menschen, vor allem Frauen, damals „verrückt“ nach Jesus – wie Matthäus schreibt –, und warum werden die Kirchen heute immer leerer? Warum ist die Bibel das meistgekaufte Buch der Welt, der Bestseller aller Bestseller, wird aber kaum noch gelesen? Nach meinem Theologiestudium wurden mir die liberale Theologie von Hans Küng, die politische Theologie von Johann Baptist Metz, Helmut Gollwitzer, Oswald von Nell-Breuning und Ernesto Cardenal, der mich zusammen mit Günter Grass nach Nicaragua eingeladen hatte, die tiefenpsychologische Theologie von Eugen Drewermann sowie die feministische Theologie von Hanna Wolff, Christa Mulack und Dorothee Sölle wichtiger als die offizielle christologische Kirchentheologie. So lernte auch ich erst allmählich, was uns Jesus wirklich lehrte: Dass alle Menschen Exklusivpartner Gottes sind. Und dass in jedem und jeder von uns als Kind Gottes ein göttlicher Funke glüht. Als Kinder Gottes tragen wir alle ein Gottesgen in uns. In diesem Sinn hat sich Jesus auch nie als Gott verstanden, allenfalls als Gottessohn, meist jedoch als Menschensohn, also einfach als Mensch. Dafür gibt es viele Belege im Neuen Testament. Er wurde ärgerlich, wenn seine Mitmenschen das nicht verstehen wollten. Dafür will ich nur eine Bibelstelle zitieren, nämlich aus dem ältesten Evangelium (Mk 10,18): „Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer der eine Gott.“ Der Aramäisch-Experte Günther Schwarz übersetzt diese für das Selbstverständnis Jesu wichtige Stelle so: „Warum nennst du mich gut? Keiner ist gut! Außer dem Einzigen – Gott!“ Zu Jesu Selbstverständnis gehört, dass er sich auch als „guter Hirte“ (Joh 10,1–11) verstand, doch seine Nachfolger wollten dann gleich „Oberhirten“ sein, noch über Jesus stehen. Bis heute lehrt das Bodenpersonal Gottes, vom Ortspfarrer bis zum Papst, dass Jesus „Gott und Mensch“ zugleich war und seine Mutter Maria „Gottesmutter“. Man muss schon lammfromm oder blind katholisch sein, um Jesu wirkliches Selbstverständnis zu übersehen. Wie kann ein einfaches junges Mädchen die Mutter von Gott sein? Maria war die Mutter des Menschen Jesus, aber nicht „Gottesmutter“. Erst 2012 lernte ich die Schriften des Theologen Günther Schwarz kennen, ein evangelischer Pastor, der fünfzig Jahre lang mit aramäischen Texten gearbeitet hatte, um Jesus in seiner Muttersprache besser zu verstehen. Vieles, was dieser Theologe in seiner aus dem Griechischen übersetzten Bibel las, konnte er weder verstehen noch glauben. Über seinen „aramäischen“ Jesus schrieb er zwanzig Bücher und über hundert wissenschaftliche Aufsätze in nationalen und internationalen theologischen Zeitschriften und kam so dem Ur-Jesus auf die Spur. Seine Erkenntnis: Mehr als fünfzig Prozent aller Jesusworte, die uns aus dem Griechischen überliefert sind, sind falsch vom Aramäischen ins Griechische übersetzt oder bewusst gefälscht worden, oder es wurde ihnen etwas hinzugefügt, was Jesus nie gesagt hatte. Wenn aber die Worte nicht stimmen, ist die ganze Botschaft falsch. Bereits Martin Luther hatte erkannt: „Die Ebräer trinken aus der Bornquelle; die Griechen aber aus dem Wässerlein, die aus der Quelle fließen; die Lateiner aber aus den Pfützen.“ Allein die „Bornquelle“ enthält das aus der Erde quellende, reine Wasser. Luther wusste, dass man „die heilige Schrift ohne die ebräische (= aramäische) Sprache nimmermehr recht verstehen kann“. Und die „Bornquelle“, von der Luther hier spricht, ist wissenschaftlich zweifelsfrei das Aramäische, die damalige Weltsprache. Die Urquellen der Evangelien existieren in aramäischer Sprache. Leider wissen bis heute die meisten Theologen diese Zusammenhänge nicht – oder sie wollen sie nicht wissen. In Jesu galiläischer Heimat wurde galiläisches Westaramäisch gesprochen, im benachbarten Syrien Ostaramäisch, zwei verwandte Dialekte. Doch bis heute ist die christliche Theologie geradezu in lateinischer und griechischer Gefangenschaft. Statt aus den aramäischen Urquellen reines Jesus-Wasser zu schöpfen, trinken wir aus griechischen „Wässerlein“ und aus lateinischen „Pfützen“ und wundern uns dann über Wassermangel und vergiftetes Wasser. Den Weg zur „Bornquelle“ wies im 19. Jahrhundert der Theologe und Orientalist Julius Wellhausen. Er schrieb: „Wer die Reden Jesu wissenschaftlich erklären will, muss imstande sein, sie nötigenfalls in die Sprache zurückzuübersetzen, die Jesus gebraucht hat.“ Das versuchte Günther Schwarz sein ganzes Leben lang. Als Quelle benutzte er neben den offiziellen vier Evangelien unter anderem syrisch-aramäische Manuskripte der Evangelien, die Peschitta. Sie ist die früheste aller Versionen des Neuen Testaments. Diese Peschitta gibt uns einen Blick frei auf das Leben der ersten Christen und damit auf Jesu Gedanken, Sprache, Kultur und Spiritualität. „Kein griechischer Text kann uns einen solchen Zugang eröffnen.“ (Neil Douglas-Klotz) Die assyrischen Christen sind bis heute davon überzeugt, dass die Peschitta eine Version der ursprünglichen aramäischen Form der Worte Jesu ist. „Die Peschitta umfasst die grundlegenden Bücher von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, jedoch in aramäischer Sprache, die dem von Jesus selbst verwendeten Dialekt nahe ist.“ (Neil Douglas-Klotz) Auch der Religionspädagoge Georg Bubolz hat 2019 in seinem Buch Ohne Taube und Kamel die vier Evangelien des Neuen Testaments aus dem Aramäischen übersetzt. Diese Peschitta wurde von der traditionellen westlichen Theologie bis heute fast völlig übersehen, obwohl sie den reichen Schatzsyrisch-christlicher Tradition enthält, der bis ins erste nachchristliche Jahrhunderts zurückreicht. Dieser Rückgriff auf das Syrische war für Günther Schwarz von großem Wert für seine Rückübersetzung ins Aramäische. Was das Syrische genannt wird, ist der ostaramäische Dialekt, und...


Alt, Franz
Franz Alt, Dr., geb. 1938, ist Journalist und Buchautor. Zahlreiche Auszeichnungen für sein publizistisches und ökologisches Engagement.

Franz Alt, Dr., geb. 1938, ist Journalist und Buchautor. Zahlreiche Auszeichnungen für sein publizistisches und ökologisches Engagement.


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