E-Book, Deutsch, Band 2010, 282 Seiten
Reihe: Phantastische Stories
Alcott / Wetjen / Wright O´Brien Fantastic Pulp 1
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-95719-610-1
Verlag: Blitz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 2010, 282 Seiten
Reihe: Phantastische Stories
ISBN: 978-3-95719-610-1
Verlag: Blitz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
'Pulps sind in aller Munde. Pulps, das sind spezielle Zeitschriften in einem speziellen Format, die im 19. und 20. Jahrhundert in den USA erschienen. Unzählige waren es: Kriminal- und Abenteuergeschichten, Liebesgeschichten und natürlich Phantastik, egal ob Horror, SF oder Fantasy. Die Titelbilder waren meist schrill, das Papier billig und die Geschichten geradeaus, mal innovativ, mal einfach nur unterhaltsam. Hier eine erlesene Auswahl. Ein besonderer Fund in einer Pyramide sorgt für ein böses Erwachen. Die Saga vom verlorenen Schiff, auf dem nur ein Papagei lebt. Ein Exzentriker lässt sein Traumhaus bauen, ein Haus, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Ein Mann trifft eine Entscheidung, und schon wird sie Realität. Ein Zugunfall zwingt zwei Frauen der gehobenen Gesellschaft, eine Entscheidung zu treffen. Ein Geist kommt mit Zahnschmerzen zu einem Zahnarzt, der ihm helfen soll. Eine Ahnenforschung, die zum Fluch wird. Ein Magazin, das fast vierzig Jahre Phantastikgeschichte geschrieben hat.'
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
II.
„Ich habe eine kleine Überraschung für dich, meine Liebe“, sagte Forsyth, als er Evelyn drei Monate später am Morgen ihres Hochzeitstages begrüßte. „Und ich habe eine für dich“, antwortete sie schmunzelnd. „Wie blass du aussiehst, und wie dünn du geworden bist! Dieses ganze Braut-Brimborium ist zu viel für dich, Evelyn“, meinte er mit zärtlicher Sorge, als er die bleiche Fahlheit ihres Gesichts erblickte, und er legte ihre abgezehrte kleine Hand in die seine. „Ich bin so erschöpft!“, seufzte sie und lehnte ihren Kopf müde an die Brust ihres Bräutigams. „Weder Schlaf, Nahrung oder frische Luft ändern etwas daran, und ein seltsamer Nebel scheint meine Sinne manchmal zu trüben. Mama meint, das ist die Hitze, aber ich schaudere sogar in der Sonne, während mich nachts das Fieber verbrennt. Paul, ich bin so froh, dass du mich von hier wegbringst – in ein ruhiges, glückliches Leben mit dir. Nur fürchte ich, dass wir nicht viel Zeit miteinander haben …“ „Meine überspannte kleine Frau! Du bist übermüdet und nervös von all diesen Hochzeitssorgen. Ein paar Wochen Erholung auf dem Land werden uns schon die alte blühende Evi zurückbringen. – Bist du nicht neugierig auf meine Überraschung?“, fragte er, um ihre Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Der dumpfe Ausdruck in den Augen des Mädchens wich einem interessierten Blick, doch das Zuhören musste ihr schwerfallen, denn sie schien all ihre Energie aufzubieten, um den Worten ihres Liebhabers folgen zu können. „Du erinnerst dich doch an den Tag, als wir uns im alten kleinen Zimmer gekabbelt haben?“ „Ja.“ Ein flüchtiges Lächeln huschte über ihre Lippen. „Und dass du diese komischen roten Samen pflanzen wolltest, die ich der Mumie gestohlen habe?“ „Ich erinnere mich.“ Ihre Augen blitzten auf mit plötzlichem Feuer. „Tja, ich habe sie verbrannt, so dachte ich wenigstens, und gab dir die Dose. Aber als ich später zurückkam, um mein Bild abzudecken, fand ich einen der Samen auf dem Teppich. Und eine plötzliche Lust, deiner Laune nachzugeben, brachte mich dazu, ihn Niles zu senden und ihn zu bitten, ihn einzupflanzen und den Fortschritt zu beobachten. Heute habe ich zum ersten Mal wieder etwas von ihm gehört, und er schreibt, dass die Saat wunderbar aufgegangen ist. Die Pflanze hat Knospen getrieben, und er hat vor, falls sie bis dahin blühen sollte, sie zu einem Treffen mit berühmten Wissenschaftlern mitzunehmen. Danach will er mir ihren Namen mitteilen – und auch die Pflanze selbst hierhersenden. Seiner Beschreibung nach muss es ein äußerst kurioses Gewächs sein. Ich kann es kaum erwarten, das Ding zu sehen.“ „Du musst nicht warten, ich kann dir die Pflanze jetzt gleich in voller Blüte zeigen!“ Und Evelyn winkte ihm mit einem maliziösen Lächeln – das erste nach sehr langer Zeit. Äußerst verblüfft folgte Forsyth ihr in ihr kleines Boudoir, und dort, im hellen Sonnenschein, stand die fremdartige Pflanze. Trotz ihrer Üppigkeit wirkten die grellgrünen Blätter fast schlank an ihren dünnen purpurnen Stängeln, und aus ihrer Mitte erhob sich eine geisterhaft weiße Blüte, geformt wie der Kopf einer Kobra, mit scharlachroten Staubfäden wie eine gespaltene Zunge. Auf den Blütenblättern glitzerten seltsame Flecken wie Tau. „Eine unheimliche Pflanze! Hat sie irgendeinen Duft?“, fragte Forsyth, sich über sie beugend, um sie näher zu begutachten, und vergaß in seiner Faszination völlig zu fragen, wie sie hierherkam. „Keinen, und das enttäuscht mich. Ich mag Parfüms“, antwortete das Mädchen und liebkoste die grünen Blätter, die unter ihrer Berührung erbebten, während die purpurnen Fäden noch intensiver aufleuchteten. „Nun red schon“, mahnte Forsyth, nachdem sie so einige Minuten stumm dagestanden hatten. „Ich war vor dir im Raum und sicherte mir einen der Samen – es waren zwei auf den Teppich gefallen. Ich pflanzte ihn ein, unter Glas und in der besten Erde, die ich finden konnte, wartete gespannt und war erstaunt über die Geschwindigkeit, mit der das Ding wuchs, nachdem es an die Oberfläche gekommen war. Ich habe es niemandem erzählt, denn ich wollte dich überraschen. Aber die Knospe hat ewig gebraucht, um zu erblühen, und so musste ich warten. Es ist ein gutes Omen, dass die Blüte gerade heute aufgegangen ist. Und da sie fast ganz weiß ist, werde ich sie zur Hochzeit tragen. Ich habe sie lieben gelernt, nachdem ich sie so lange gepflegt habe.“ „Ich würde sie an deiner Stelle nicht tragen! Sie sieht seltsam bösartig aus – trotz ihrer unschuldigen Farbe. Diese Otternzunge und dieser unnatürliche Tau! Warte, bis Niles uns sagt, woran wir sind, dann hätschel sie meinetwegen, wenn sie harmlos ist. Vielleicht schätzte meine Zauberin sie so, weil sie irgendeine symbolische Schönheit darstellte. Diese alten Ägypter hatten jede Menge solcher Schrullen. Das war übrigens ziemlich schlau von dir, mich derart zu überlisten. Aber ich verzeihe dir, denn in ein paar Stunden werde ich diese unberechenbare Hand für immer in die Bande der Ehe schlagen! – Wie kalt es hier ist! Komm heraus in den Garten und tanke ein bisschen Wärme für heute Abend, Liebste. Vielleicht bekommst du auch noch etwas Farbe.“ Doch als die Nacht kam, konnte niemand Evelyn vorwerfen, blass zu sein, denn sie glühte wie eine Granatapfelblüte. Ihre Augen sprühten Feuer, ihre Lippen waren scharlachrot, und ihre alte Lebhaftigkeit schien zurückgekehrt zu sein. Eine herrlichere Braut war nie unter einem bauschigen Schleier errötet, und als ihr Bräutigam sie sah, erschrak er heftig über diese fast unirdische Schönheit – das bleiche, träge Geschöpf von heute Morgen hatte sich in eine strahlende Frau verwandelt. Sie wurden getraut, und wenn Liebe, viele gute Wünsche und reichliche Geschenke ein Paar glücklich machen konnten – dann war dies hier wahrhaft gesegnet. Doch eben in dem rauschhaften Moment, der Evelyn zu der Seinen machte, spürte Forsyth, wie eiseskalt die kleine Hand war, die er hielt, wie fiebrig das tiefe Rot der Wange glühte, als er sie küsste, und welch ein seltsames Feuer in den Augen brannte, die ihn so wehmütig ansahen. Die lächelnde Braut, wunderschön wie eine Fee, spielte den von ihr erwarteten Part gut gelaunt den ganzen festlichen Abend lang, und als endlich Licht, Leben und Farbe aus ihr zu weichen begannen, hielten die liebenden Augen, die sie aufmerksam beobachteten, dies für eine Folge der natürlichen Müdigkeit zu später Stunde. Nachdem der letzte Gast gegangen war, drückte ein Diener Forsyth einen Brief mit der Aufschrift EILT! in die Hand. Er riss ihn auf und las diese Zeilen von einem Freund des Professors:
Geehrter Sir, der arme Niles starb vor zwei Tagen plötzlich im Scientific Club, und seine letzten Worte waren: „Sag Paul, er soll sich vor dem Mumienfluch hüten! Die fatale Blüte hat mich getötet!“ Die Umstände seines Todes waren äußerst eigenartig. Ich füge sie seiner Botschaft hinzu. Vor einigen Monaten erzählte er uns, dass er eine unbekannte Pflanze beobachtete, und als er jetzt herkam, brachte er sie mit, um sie uns zu zeigen. Andere interessante Themen beanspruchten uns bis spät in die Nacht, und so war die Pflanze vergessen. Er trug sie im Knopfloch – eine seltsam weiße, schlangenköpfig geformte Blüte mit glitzernden Flecken, die sich im Laufe des Abends langsam in ein funkelndes Scharlachrot verwandelten, bis die Blütenblätter aussahen, als wären sie mit Blut bespritzt. Wir beobachteten, dass die anfängliche Blässe und Abgeschlagenheit, mit der der Professor zu uns stieß, bald einer ungewöhnlichen Lebhaftigkeit wich, ja er befand sich bald in einer unnatürlich aufgekratzten Stimmung. Fast am Ende des Treffens, mitten in einer angeregten Diskussion, stürzte er plötzlich zu Boden, wie vom Schlag getroffen. Er wurde bewusstlos nach Hause gebracht, und nach einem kurzen klarsichtigen Intervall, in dem er mir die Botschaft ausrichtete, die ich oben an Sie weitergeleitet habe, starb er unter großen Qualen, von Mumien, Pyramiden, Schlangen und einem fatalen Fluch fantasierend, den er angeblich auf sich gezogen hätte. Nach seinem Tod erschienen seltsame grellrote Flecken auf seiner Haut, die denen auf der Blüte erschreckend ähnlich sahen, und seine Leiche verschrumpelte wie ein verwelkendes Blatt. Auf meine Weisung hin wurde die mysteriöse Blüte sorgfältig examiniert, und unsere größte Autorität auf diesem Gebiet erklärte sie zu einer der tödlichsten Giftpflanzen Ägyptens, eine Sorte, die oft im Arsenal antiker Magierinnen zu finden war. Die Pflanze absorbiert die Lebenskraft desjenigen, der sie aufzieht. Wenn die Blüte länger als zwei oder drei Stunden am Körper getragen wird, verursacht sie Wahnsinn oder Tod.
Das Papier entfiel Forsyths Hand, er las nicht weiter. Er stürzte in das Zimmer, in dem er seine junge Braut zurückgelassen hatte. Anscheinend völlig erschöpft, hatte sie sich auf ein Sofa geworfen und lag dort bewegungslos, ihr Gesicht halb verdeckt durch die Falten ihres zarten Brautschleiers. „Evelyn, Liebste! Wach auf und antworte mir! Hast du diese seltsame Blüte heute getragen?“, flüsterte Forsyth, den Schleier hinwegziehend. Eine Antwort war nicht nötig. Denn dort, geisterhaft an ihrem Busen aufleuchtend, stak die bösartige Blüte. Ihre weißen Blätter waren besprenkelt mit roten Flecken, grell wie die Tropfen frisch vergossenen Bluts. Doch der unglückliche...