Eine Einführung
E-Book, Deutsch, 213 Seiten
ISBN: 978-3-17-043440-0
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Fundiert erläutert Hermann Adam die Instrumente der Finanzpolitik und beschreibt die Entwicklung von Steuereinnahmen, Staatsausgaben und Staatsverschuldung seit dem Zweiten Weltkrieg. Er diskutiert aktuelle Ideen zur Steuerreform und die dahinterstehenden ökonomischen Interessen sowie die Schwierigkeiten, im föderalen System der Bundesrepublik zu finanzpolitischen Entscheidungen zu kommen.
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2 Instrumente der Finanzpolitik
Nachdem im ersten Kapitel erläutert wurde, was Finanzpolitik ist, wie sie sich von der Finanzwirtschaft und der Geldpolitik der Notenbank abgrenzt und welche Ziele und Aufgaben die Finanzpolitik hat, werden jetzt ihre Instrumente beschrieben. Im darauffolgenden Kapitel beschäftigen wir uns dann mit den Wirkungen der Finanzpolitik. 2.1 Die Staatseinnahmen
Bei den Staatseinnahmen denken wohl die allermeisten sofort an die Steuern. Allerdings sind die Steuern zwar die wichtigste, keineswegs jedoch die einzige Einnahmequelle des Staates. Steuern sind Zwangsabgaben ohne Anspruch auf Gegenleistung. Zwang bedeutet: Der Staat kann nicht nur festlegen, wer und was wie hoch besteuert wird, sondern er hat darüber hinaus auch das Recht, die Steuern mit Hilfe von Zwangsmaßnahmen einzutreiben. Ohne Anspruch auf Gegenleistung heißt: Der Steuerzahler kann nicht verlangen, dass ihm für seine gezahlten Steuern eine bestimmte, von ihm gewünschte Gegenleistung gewährt wird. So wie wir alle in der einen oder anderen Weise Steuern zahlen, ohne dafür auf eine spezielle staatliche Leistung Anspruch zu haben, so müssen wir alle für einige staatliche Leistungen, wenn wir sie in Anspruch nehmen, Gebühren entrichten, z. B. für die Müllabfuhr, die Ausstellung eines Reisepasses oder die Nutzung einer staatlichen Kindertagesstätte. Die Höhe dieser Gebühren wird nicht zwischen Anbietern und Nachfragern ausgehandelt, sondern von den zuständigen staatlichen Stellen festgelegt und in einer Gebührenordnung veröffentlicht. Dahinter steckt folgende Idee: Wer eine ganz individuell zurechenbare staatliche Leistung in Anspruch nimmt, soll sich zumindest an den Kosten beteiligen. Die Gebühren decken in der Regel allerdings nur einen geringen Teil der Kosten für die Leistung, weil der Staat aus sozial- und gesellschaftspolitischen Erwägungen die Entgelte so niedrig ansetzt, dass jeder sich unverzichtbare Dinge wie etwa die Müllabfuhr auch leisten kann. Der Rest der Kosten muss durch staatliche Zuschüsse ausgeglichen werden, die wiederum aus Steuereinnahmen stammen. Tabelle 2.1 zeigt, inwieweit einzelne kommunale Einrichtungen im Jahr 2005 ihre Kosten mit Gebühren abgedeckt haben. Die Kostendeckungsgrade dürften sich bis heute nicht wesentlich geändert haben. Tab. 2.1:Kostendeckungsgrad1 kommunaler Gebührenhaushalte in der Bundesrepublik Deutschland 2005 (Zimmermann 2009, 132) Einrichtungen Kostendeckungsgrad (in %) Abwasserbeseitigung 87,7 Abfallbeseitigung 92,1 Friedhöfe 71,2 Kindertagesstätten 11,9 Rettungsdienst 85,0 Straßenreinigung 69,6 Theater 11,6 Bäder 21,4 Volkshochschulen 34,7 Museen 6,8 Büchereien 6,8 Musikschulen 36,0 Gebühren sind das Teilentgelt für eine Leistung des Staates, die ein Einzelner nachweisbar in Anspruch nimmt. Das ist bei Beiträgen – einer weiteren Einnahmequelle des Staates – nicht unbedingt der Fall. So müssen etwa Grundstückseigentümer für die Erschließung ihres Grundstücks, d. h. die Anbindung an die Strom-, Gas- und Wasserversorgung, an die Abwasserentsorgung sowie an das Straßennetz zwangsweise Beiträge entrichten – unabhängig davon, ob und in welchem Umfang sie das Grundstück und damit die staatliche Versorgungsleistung nutzen. Weitere Einnahmen gewinnt der Staat aus Sonderabgaben. Hierbei handelt es sich um steuerähnliche Geldzahlungen an den Staat, die nur von speziellen Gruppen zu leisten sind und deren Verwendung – im Unterschied zu Steuern – zweckgebunden ist. So erheben viele Gemeinden in Urlaubsregionen von ihren ortsansässigen Selbständigen und Gewerbetreibenden eine sogenannte Fremdenverkehrsabgabe. Damit sollen die Kosten abgedeckt werden, die einer Gemeinde entstehen, wenn sie sich für Touristen attraktiv machen will (Werbemaßnahmen, Verschönerung des Ortsbildes, Durchführung von Veranstaltungen). Denn wenn viele ihren Urlaub in einer Gemeinde verbringen, profitieren fast alle ortsansässigen Freiberufler und Gewerbetreibenden. Aber auch die, die aus dem Fremdenverkehr keinen wirtschaftlichen Nutzen ziehen, müssen die Fremdenverkehrsabgabe zahlen. Die Touristen ihrerseits werden mit einer sogenannten Kurtaxe belastet, ein Entgelt, mit dem die Kosten für die Erhaltung der für die Urlauber geschaffenen Einrichtungen abgedeckt werden sollen, gleichgültig, ob sie im Einzelfall genutzt werden oder nicht. Weitere Beispiele für Sonderabgaben sind die Abwasserabgabe sowie Fischerei- und Jagdabgaben. Schließlich sollen noch die Konzessionsabgaben erwähnt werden. Sie sind von Versorgungsunternehmen zu entrichten, wenn sie bei der Verlegung von Gas- Wasser- oder Stromleitungen, die der Versorgung von Verbrauchern in einem Gebiet dienen, öffentliche Straßen, Wege und Plätze nutzen (Konzession = Erlaubnis, Zugeständnis). Abb. 2.1:Die Einnahmequellen des Staates (nach Bajohr 2007, 40). Die verschiedenen Abgabearten ließen sich jeweils noch unterteilen. Darauf soll hier verzichtet werden. Wer sich mit Finanzpolitik beschäftigt, sollte jedoch im Auge behalten, dass der Staat außer den Steuern auch noch andere Einnahmequellen hat. Gemessen an den Gesamteinnahmen spielen diese jedoch nur eine unbedeutende Rolle. Von den insgesamt 1.902 Mrd. Euro, die der Staat – die Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden sowie die Sozialversicherung – im Jahr 2023 an Einnahmen erzielt hat, entfällt nur ein unbedeutender Anteil (4,2 %) auf die sonstigen Einnahmen. Dazu gehören neben den Gebühren, Sonderabgaben und Konzessionsabgaben ? Gewinnabführungen von Unternehmen, die dem Staat ganz oder teilweise gehören, z. B. von der Bahn oder den Sparkassen; ? Erlöse aus dem Verkauf von Vermögenswerten wie z. B. Grundstücken oder aus der Privatisierung staatlicher Unternehmen; ? Gewinne der Bundesbank, die diese z. B. durch Zunahme oder Höherbewertung ihrer Gold- und Devisenbestände erzielt; ? zusätzliche Kredite, die ebenfalls der Einnahmenseite zuzurechnen sind. Tab. 2.2:Struktur der Staatseinnahmen 2023 (Sachverständigenrat 2023/24) Einnahmeart Mrd. Euro Prozent1 Steuern 953,7 50,1 Sozialbeiträge 709,6 37,3 Verkäufe 157,8 8,3 Sonstige 80,7 4,2 Gesamt 1.901,8 100,0 Wie die Tabelle 2.2 zeigt, bestehen die Einnahmen des Staates im Wesentlichen aus Steuern und Sozialbeiträgen. Die Steuern
In diesem Kapitel wollen wir darlegen, wie viel Geld die wichtigsten Steuern in die Kasse des deutschen Staates bringen. Außerdem wird die Entwicklung des gesamten Steueraufkommens seit 1950 betrachtet. Tabelle 2.3 zeigt die zehn Steuern, die das höchste Aufkommen erbringen. Am meisten spülte die Lohn- und Einkommensteuer in die Staatskassen. 2023 waren es 310 Mrd. Euro (37 %). Einen weiteren großen Brocken brachte die Mehrwertsteuer (einschl. der Zölle) mit 291 Mrd. Euro (35 %) ein. An dritter Stelle folgte die Körperschaftsteuer, sie trug mit 45 Mrd. Euro (5 %) zum Steueraufkommen bei. Alle anderen Steuern tragen weniger als fünf Prozent zum Steueraufkommen bei. Kurze Erläuterungen zu den zehn aufkommensstärksten Steuern sind der Infobox 2.1 zu entnehmen. Bund, Länder und Gemeinden haben 2023 (ohne reine Gemeindesteuern) insgesamt 830 Mrd. Euro an Steuern eingenommen. Ist das viel oder zu viel? Oder wenig, vielleicht sogar viel zu wenig? Die Antwort auf diese Frage hängt insbesondere davon ab, ? inwieweit jemand persönlich von den Steuern betroffen ist, d. h. ob er seine persönliche Steuerlast als zu hoch oder als vertretbar empfindet, ? was jemand vom Staat...