E-Book, Deutsch, 288 Seiten, Format (B × H): 125 mm x 205 mm
Reihe: Miss Mount
Adair Und Action!
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-311-70337-2
Verlag: OKTOPUS bei Kampa
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Miss Mount und der Mord am Filmset
E-Book, Deutsch, 288 Seiten, Format (B × H): 125 mm x 205 mm
Reihe: Miss Mount
ISBN: 978-3-311-70337-2
Verlag: OKTOPUS bei Kampa
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Schauspielerin Cora Rutherford, eine alte Freundin von Evadne Mount, wird vergiftet. Nicht nur vor laufender Kamera, sondern auch vor den Augen aller am Filmset. Sechs Menschen hatten die Gelegenheit, sie zu töten, aber keiner der Tatverdächtigen hat ein Motiv. In den Verhören fällt eines auf: Alle am Set hassen den Regisseur Alastair Farjeon - fettleibig, unerträglich, insbesondere Frauen gegenüber, und so eitel, dass er in jedem seiner Filme einen Kurzauftritt haben muss. Und Miss Mount, immer in Begleitung ihres treuen Partners Eustace Trubshawe, einst Chefinspektor von Scotland Yard, stößt auf ein anderes, früheres Verbrechen. Auch das ungelöst, für diese Tat allerdings hatten alle am Filmset ein Motiv - aber eigentlich keine Gelegenheit. Ein gemeiner, genialer Mord, für dessen Aufklärung es eine geniale Ermittlerin braucht!
Weitere Infos & Material
Erster Teil
Erstes Kapitel
»Ach du meine Güte!« Diese Stimme! Chefinspektor Trubshawe – oder, um es ganz korrekt zu sagen, Chefinspektor Trubshawe a. D., ehemals Scotland Yard – hatte gerade den Teesalon des Ritz Hotels betreten, um seinen Füßen Erholung und seinem Gaumen eine Erfrischung zu gönnen, und als er nun versuchte, die Aufmerksamkeit einer Kellnerin auf sich zu lenken, war es diese Stimme, die ihn wie angewurzelt stehen bleiben ließ. Um die Wahrheit zu sagen, war das Ritz nicht die Art von Etablissement, das er normalerweise bevorzugt hätte, ganz gewiss nicht für eine dampfende Tasse Tee, nach der er während der letzten Stunde buchstäblich gelechzt hatte. Er war noch nie einer von denen gewesen, die mit Geld um sich warfen, umso weniger jetzt, wo er hatte lernen müssen, mit der Pension eines Polizeibeamten auszukommen, und ein Lyon’s Tea Room wäre für seinen unverdorbenen plebejischen Geschmack gewiss das Passendere gewesen. Aber er war nun einmal zufällig am feineren Ende der Piccadilly gelandet, dessen einziger ganz gewöhnlicher Teesalon von Sekretärinnen und Stenotypistinnen wimmelte, die miteinander über die Schwierigkeiten ihres Arbeitstages plapperten, der nun für alle gleichzeitig zu Ende gegangen war. Also hieß es: das Ritz oder gar nichts; und als er sich die durchaus unpassende Verschiebung der Werte so recht bewusst machte, dachte er: warum nicht, ein sicherer Hafen im Sturm. Also war er hier, in diesem unaufdringlich eleganten Raum – einem Raum, in dem der wohltönende Klang gehobener Konversation mit dem silbrigen Klirren feinsten Bestecks harmonisch zusammenstieß (wenn ein solches Oxymoron möglich und erlaubt ist), einem Raum, den er noch nie betreten und auch nie in seinem Leben zu betreten erwartet hätte –, und bevor er sich noch richtig orientiert hatte, war er schon geradewegs jemandem aus seiner Vergangenheit in die Arme gelaufen! Die Person, die ihn begrüßt hatte, saß an einem der Tische in der Nähe des Eingangs, und man konnte ihr Gesicht gerade noch hinter einem wackligen Stapel grüner Penguin-Taschenbücher erkennen. Als er sich ihr zuwandte, dröhnte die Stimme ein zweites Mal: »So wahr ich leibe und lebe! Täuschen mich meine trüben Augen, oder ist es tatsächlich mein alter Ermittlungspartner, Inspektor Plodder?« Trubshawe sah sie jetzt direkt an. »Ist es möglich!«, rief er überrascht aus. Dann nickte er zustimmend, wobei ein kaum wahrnehmbarer sarkastischer Unterton in seiner Stimme mitschwang: »O ja, es ist tatsächlich Plodder. Plodder, alias Trubshawe.« »Also sind Sie es wirklich!«, sagte Evadne Mount, die berühmte Kriminalautorin, und ignorierte die leise, aber bedeutungsvolle Veränderung in seiner Tonlage. »Und nach all diesen Jahren können Sie sich noch an mich erinnern?« »Aber natürlich kann ich das! Das ist ein unverzichtbarer Teil meiner Arbeit – ich meine, es war ein unverzichtbarer Teil meiner Arbeit –, niemals ein Gesicht zu vergessen«, lachte Trubshawe. »Ah ja«, sagte die Schriftstellerin ein bisschen ernüchtert. »Wobei ich natürlich«, fügte er taktvoll hinzu, »schon im Ruhestand war, als wir uns kennengelernt haben, nicht wahr – was bedeutet, dass meine Erinnerung in diesem Fall persönlicher und nicht professioneller Art ist. Genau genommen«, schloss er, »war es die Stimme, die den Ausschlag gab.« An dieser Stelle kehrte der leise Sarkasmus zurück. »Und der nicht besonders schmeichelhafte Spitzname natürlich.« »Oh, Sie müssen mir verzeihen, dass ich mich ein bisschen mokiere. ›Sie tut es doch nur dir zum Hohn, und weil es dich verdrießt‹, das kennen Sie doch?[1] Meine Güte, Sie sind es tatsächlich!« »Ziemlich lange her, oder?«, sagte Trubshawe verwirrt und schüttelte ihr die Hand. »Sehr, sehr lange, um genau zu sein.« »Setzen Sie sich doch, guter Mann, setzen Sie sich. Gönnen Sie Ihrem Kopf eine Pause, hahaha! Wir müssen über die alten Zeiten plaudern. Über die neuen auch, wenn Sie wollen. Es sei denn«, sagte sie und senkte ihre Stimme auf die Lautstärke eines leisen Bühnenflüsterns, »es sei denn, Sie sind wegen eines Rendezvous hier. Wenn das der Fall ist: Sie kennen mich, ich verrate keinem ein Sterbenswörtchen. Ich würde nicht einmal de trop sein wollen.«[2] Trubshawe ließ sich in dem Sessel gegenüber von Evadne Mount nieder, wobei seine breiten Boxerschultern sich hoben, als er sich die Hose an den Knien abklopfte. »Hatte in meinem ganzen Leben nicht ein einziges Mal so etwas wie ein Rendezvous«, sagte er ohne offensichtliches Bedauern. »Ich habe meine verstorbene Frau kennengelernt – Annie hieß sie –, als wir beide in dieselbe Klasse gingen. Ich habe sie geheiratet, als wir in den Zwanzigern waren und ich noch ein unerfahrener junger Streifenpolizist war. Unsere Hochzeitsfeier – eine Feier mit allem Drum und Dran – haben wir im Tanzsaal des Railway Hotels in Beaconsfield abgehalten. Und bis zu ihrem Tod vor zehn Jahren habe ich nicht ein einziges Mal zurückgeschaut. Und auch nicht zur Seite, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Evadne lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und sah den Chefinspektor über den Tisch hinweg liebevoll an. »Wie bezaubernd, wie heimelig, wie beneidenswert normal das klingt, wenn Sie von Ihrem Leben erzählen«, seufzte sie, und vermutlich sollte ihre Wertschätzung dieses Lebens durchaus nicht so herablassend klingen, wie sie wohl wirkte. »Und richtig, jetzt erinnere ich mich, beim letzten Mal, als wir uns gesehen haben – der Mord auf ffolkes Manor[3] –, waren Sie gerade Witwer geworden. Und Sie sagen, das ist schon zehn Jahre her? Kaum zu glauben!« »Und was für zehn Jahre das waren, nicht wahr – der Krieg und der Blitz und der VE-Day und der VJ-Day[4], und jetzt diese sogenannte schöne neue Nachkriegswelt. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, Miss Mount, aber ich finde, dass London sich bis zur Unkenntlichkeit verändert hat – und nicht zum Besseren. Nichts als Schieber, soweit das Auge reicht, Schieber, kleine Gauner, Schwarzhändler, motorisierte Banden und diese Cliquen von Nylonschmugglern, über die ich ständig lese! Und Bettler! Bettler direkt hier auf der Piccadilly! Ich bin gerade eine halbe Stunde durch den Green Park spaziert, dann habe ich es nicht mehr ertragen. Pausenlos bin ich von einer Horde schmieriger Straßenbengel belästigt worden, die mich um ein paar Pennys angebettelt haben, und als ich ihnen keine geben wollte, haben sie mich einen Westentaschen-Himmler – nein, auf gut Cockney einen ›Westentaschen-’immler‹ – genannt. Ich bin hauptsächlich hierhergekommen, um ein bisschen Ruhe und Frieden zu suchen.« »Hm«, stimmte die Autorin zu, »dazu muss ich sagen, dass dies hier auch nicht gerade der Ort ist, den ich mit Ihnen in Verbindung bringe.« »Ich auch nicht. Ich war auf der Suche nach einem ehrlichen, einfachen Café für jedermann. Sie hingegen scheinen mir hier wirklich zu Hause zu sein.« »O ja, gewiss. Ich komme täglich um diese Zeit zum Nachmittagstee hierher.« Dieser Austausch von Belanglosigkeiten wurde durch die Ankunft einer älteren weißhaarigen Kellnerin mit weißer Haube unterbrochen, die nun erwartungsvoll über Trubshawe schwebte. »Nur ein Kännchen Tee, Miss. Und sagen Sie bitte Bescheid, dass er stark sein soll.« »Wie belieben, Sir. Und möchten Sie ein bisschen Brot und Butter dazu? V’lleicht Gurkensandwiches?« »Nein, vielen Dank. Nur Tee.« »Sofort, Sir.« Nachdem er zu den benachbarten Tischen hinübergesehen hatte, von denen die meisten mit drallen, wohlgenährten Witwen besetzt waren, die ihre Pelzstolen lässig um den Hals geschlungen trugen wie ebenso dralle und wohlgenährte Schoßfüchse, wandte sich Trubshawe wieder Evadne Mount zu. »In diesen Tagen wird viel von freiwilliger Selbstbeschränkung gesprochen. Davon sehe ich hier nicht viel.« Sie lächelte ihm liebenswürdig zu. »Ich weiß, was Sie meinen«, antwortete sie mit einer Stimme, deren eingeschliffener Tenor so übermäßig laut war, dass sich ihr noch drei oder vier Tische weiter die Köpfe auch dann zugewandt hätten, wenn sie nur »Geben Sie mir bitte den Zucker« gesagt hätte. »Der Krieg hat alles komplizierter gemacht. Nicht nur London hat sich verändert – das ganze Land hat sich verändert, die ganze Welt, würde ich sagen. Keine Manieren mehr, kein Respekt, keine Rücksichtnahme. Nicht wie zu unseren Zeiten. Aber wenn ich’s mir recht überlege, Trubshawe, diese schmierigen Straßenbengel, die Sie erwähnt haben, diese kleinen Gassenjungen mit den blassen Gesichtern. Vergessen Sie nicht, erst vor ein paar Jahren sind sie von der Luftwaffe aus Haus und Heim gebombt worden. Wenn sie Sie beleidigen und einen Westentaschen-’immler nennen, also, für die ist das nicht nur irgendein Name. Durchaus möglich, dass die Nazis für den Tod ihrer Mütter und Väter verantwortlich sind oder für den einiger Schulfreunde. Ich glaube, in diesen furchtbar schwierigen Zeiten sollten wir alle etwas nachsichtiger sein als sonst.« Trubshawe stimmte ihr zu. »Sie haben natürlich völlig recht. Ich bin nur ein mürrischer alter Griesgram, ein verschrobener, ungeselliger alter Kauz.« »Papperlapapp!«, sagte Evadne Mount. »Es ist zehn Jahre her, dass ich Sie gesehen habe, und Sie sind kein bisschen gealtert....