E-Book, Deutsch, 116 Seiten
Acker Drei Brüder: Eine Novelle über Sex, Mord und Call-in-Shows
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-95869-306-7
Verlag: Amrun Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 116 Seiten
ISBN: 978-3-95869-306-7
Verlag: Amrun Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
3 Brüder - 2 Freunde - 1 Leiche
Dass Jürgen, der ältere Bruder von Carsten und Holger, präzise wie ein Uhrwerk von Notlage in Notlage schlittert, ist bekannt. Dass er seine Frau mit einem Fleischklopfer erschlägt, ist allerdings neu. Als er seine Brüder um Hilfe bittet, ihm bei der Beseitigung der sterblichen Überreste zu helfen, stimmen diese widerwillig zu.
Doch damit beginnen ihre Probleme erst so richtig: Denn sowohl die zwei Freunde, die sie bei der Entsorgung der Leiche unterstützen sollen, sowie die mysteriöse Anja, deren Schönheit lediglich von ihrer Durchgeknalltheit übertroffen wird, sind keine große Hilfe. Im Gegenteil, mit jeder verstreichenden Minute eskaliert die Situation ein Stück mehr.
Und es wird doch nicht so schwer sein, ein Tier mit K zu nennen?
37 freie Leitungen - 3 Brüder - 0 Durchblick
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Carsten und ich erreichten den Parkplatz mit den viel zu engen Stellplätzen gleichzeitig. »Hey«, begrüßte er mich. Er trug einen farbverschmierten Sweater und - passend dazu - eine farbverschmierte, zerschlissene Jeans. Und doch kannte ich keinen Menschen, der in diesen Lumpen so gut ausgesehen hätte wie mein jüngerer Bruder. Ich beneidete ihn dafür, sah ich doch selbst im maßgeschneiderten Anzug aus, als hätte ich diesen einem Obdachlosen entwendet und anschließend drei Nächte darin geschlafen. »Hey«, erwiderte ich. »Alles klar?« Die Gläser seiner Nickelbrille reflektierten das Mondlicht, verwandelten seine Augen in blinkende Münzen. Damit hatte er wahrscheinlich mehr Geld im Gesicht als im Portemonnaie. Seine Miene blieb regungslos. Ich zuckte die Schultern. »Mal sehen.« Carsten ließ unausgesprochen, was er wirklich dachte. Diesmal hat er wirklich Mist gebaut, las ich in seinem ebenmäßigen Gesicht. Diesmal hat er nicht nur in einen Bottich voller Scheiße gegriffen, er ist in ihn hineingestiegen und suhlt sich darin wie ein Ferkel in einer Schlammpfütze. Wir gingen zur Haustür, begleitet von Parkplatzlampen, die unseren Laufweg aufgrund von Lichtschranken nachzeichneten. Ich drückte die Klingel. »Ja, bitte?« Jürgens Stimme drang aus der Sprechanlage. Er klang, als habe er gerade ferngesehen und ein Bier getrunken. »Wir sind‘s«, sagte Carsten. »Mach die Tür auf, verdammt.« Der Summer ertönte und Carsten öffnete die gesprungene Glastür. Gemeinsam betraten wir das Mehrfamilienhaus und machten uns an den Aufstieg. Das Treppenhaus war vollgestellt mit Kinderwagen und abgestorbenen und von Läusen befallenen Topfpflanzen. Vor jeder Haustür parkten mehrere Paar Schuhe, die teilweise zu Menschen mit schlimmen Fußschweißproblemen gehörten. Das schmutzige Oberlicht ließ widerwillig fleckiges Mondlicht passieren, das dem Treppenhaus einen fahlen Anstrich verlieh. Trotz der späten Stunde hörte ich hinter der einen oder anderen Tür den Fernseher laufen. Telefonquiz. Als würde man tagsüber nicht genug verarscht werden. Nicht mein Bier. Endlich erreichten wir den dritten Stock, in dem Jürgen, Hendrik und Janina ... in dem Jürgen und Hendrik lebten. Die Wohnungstür war geschlossen. Carsten klopfte. »Ja, bitte?« Das war Jürgen. Slayer tat unterdessen das, was er am besten konnte: Er kläffte und jagte durch die Wohnung. Ich hörte seine Krallen auf dem Boden klicken. »Jetzt mach die verdammte Tür auf!«, verlangte Carsten und ich sah die Sehnen an seinem Hals hervortreten. Jürgen öffnete die Tür und lächelte. »Hallo. Danke, dass ihr gekommen seid.« Carsten knurrte etwas Unverständliches und ging in die Wohnung. Ich folgte ihm. Sofort kam Slayer auf mich zugerannt, rote Pfotenabdrücke auf dem Boden hinterlassend, bremste schlitternd ab und versuchte, mein Hosenbein zu pimpern. Als ihm das nicht die erhoffte Befriedigung verschaffte, pinkelte er es stattdessen an und verzog sich in den hinteren Teil der Wohnung, wo der Flur einen L-förmigen Knick beschrieb und zu Kinderzimmer und Speisekammer, Bad und schließlich ins Schlafzimmer führte. Das war unsere gewöhnliche Begrüßungszeremonie. Ich weiß nicht, wie viele Hunderte von Euro ich bereits in Reinigungen gelassen habe, um den Gestank von Hundeurin herauszuwaschen. Diesmal würde ich wohl selber waschen müssen, denn Slayer hatte meine Jeans mit Blutflecken beschmiert. Und es waren nicht nur Pfotenabdrücke, die ich auf dem Jeansstoff ausmachen konnte, Slayer schien auch buchstäblich Blut geleckt zu haben. Im Hintergrund lief eine Call-in-Show. Der wie ein gedoptes Kaninchen durch das zweifellos in einem ausgemusterten Altglascontainer untergebrachte Fernsehstudio rennende Moderator schrie die armen Zuschauer an, dass es doch nicht so schwer sein könne, ein Tier mit K zu nennen. Mit K, verdammt! Doch das alles bemerkte ich kaum. Ich sah auf den Boden, sah Janina dort liegen, ihr blondgefärbtes Haar, das an den Ansätzen wieder die ursprüngliche dunkelbraune Farbe angenommen hatte, wie eine explodierte Sonne von ihrem Kopf abstehend. Die Augen geschlossen, der Mund dafür geöffnet. Ihre Zunge hing heraus, als hätte sie auf ein Eis am Stiel gewartet. Blass sah sie aus, was kein Wunder war, war doch kein geringer Teil ihres Blutes aus der Kopfwunde ausgetreten und breitete sich als roter Mond auf dem Boden aus, füllte die Fugen des abgewetzten Baumarktlaminats und die Zwischenräume der Haarsträhnen. Es hatte bereits eine dunkle Färbung angenommen, ein Zeichen dafür, dass es schon etwas länger her war, als Jürgen meiner Schwägerin den Fleischklopfer auf die Schädeldecke gerammt hatte. In der Lache neben ihrem Kopf lag das Tatwerkzeug. »Mein Gott.« Carsten sprach damit so ziemlich das aus, was ich dachte. »Mein Gott.« Slayer hatte beschlossen, der erkalteten Liebe zu meinem Bein eine zweite Chance zu geben und mühte sich wieder ab, wobei er sein helles, migräneförderndes Bellen ausstieß. Ich drückte mir Zeigefinger und Daumen auf die Lider, bemüht, das sich mir bietende Bild zurückzudrängen, sah jedoch auf der Netzhaut ein Nachbild meiner Schwägerin. Keine Verbesserung, also konnte ich die Augen auch wieder öffnen. Janina lag immer noch vor mir. Jetzt ging Carsten in die Knie und betrachtete Janina aus der Nähe. Allerdings schien er nicht recht zu wissen, wonach er suchte, weshalb er sich wieder aufstellte und in die Runde guckte. »Und du hast sie ...« »... mit einem Fleischklopfer erschlagen, ja«, beendete Jürgen seinen Satz. »Deswegen liegt er da neben ihrem Kopf. Ich war gerade dabei, mir ein Schnitzel zu machen, als sie von der Arbeit nach Hause kam und eine Szene machte.« Ich spähte an meinem Bruder vorbei in die Küche. Wenn Jürgen es nicht vorzog, seine Schnitzel direkt auf der Herdplatte zu braten oder nach dem Mord seelenruhig aufgeräumt hatte, hatte er uns gerade eine faustdicke Lüge aufgetischt. Aber darauf würde ich später zu sprechen kommen, erstmal sollte er weitererzählen. »Sie schrie mich an, dass ich nicht den ganzen Tag fernsehen und endlich was aus mir machen solle. Und dass ich ein Nichtsnutz wäre, der im Internet surft, während sie irgendwelchen notgeilen Geschäftsreisenden Cocktails ausschenkt, die ihr auf die Titten glotzen und ihren Arsch tätscheln.« Er schüttelte den Kopf. »Solche Sachen halt. Business as usual.« Carsten und ich nickten. Dass Jürgen und Janina oft stritten, und zwar so heftig, dass Nachbarn schon mehrmals die Polizei gerufen hatten, war uns bekannt. Deshalb konnte uns diese Nachricht nicht schockieren. Das erledigte der leblose Körper unserer Schwägerin auf dem Boden zwischen uns. »Und jetzt?«, fragte Carsten. »Was meinst du damit? Und jetzt? Wir müssen sie irgendwie loswerden«. Jürgen lief unter seinem Bürstenschnitt gefährlich rot an. Er hatte mit Mitte dreißig immer noch so volle Haare wie als Teenager. Keine Spur von Geheimratsecken. Mein Haaransatz war dagegen schon so weit zurückgewichen, dass ich in Kürze als Luftballondouble mein Geld verdienen konnte. Ich frage mich oft, warum sich die schlechten Gene meiner Eltern allesamt auf mich vererbt hatten, während meine Brüder nur die besten in sich zu vereinen schienen. »Wie stellst du dir das vor?«, fragte ich. Jürgen zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Wir müssen sie irgendwo hinbringen, wo sie nie gefunden wird.« Carsten schüttelte den Kopf. »Nein. Wir müssen die Polizei rufen, Jürgen. Daran führt kein Weg vorbei.« »Sag mal, hast du irgendwas daran nicht verstanden, dass ich Hendrik niemals in die Obhut von Janinas Eltern geben würde?« Er zeigte auf die am Boden liegende Janina. »Eher sterbe ich!« Carsten hob die Hände. »Das ist mir schon klar. Und es handelt sich hierbei auch um meinen Neffen, falls du das vergessen hast. Du musst der Polizei eben klarmachen, dass du in Notwehr gehandelt hast. Dass es ein Unfall war oder was weiß ich. Ich werde jedoch auf keinen Fall dabei helfen, Janina irgendwo zu verscharren oder sie in einen Müllcontainer zu werfen.« »Was ist mit unseren Eltern?«, fragte ich. »Warum sollte Hendrik nicht bei ihnen aufwachsen?« Jürgen kraulte sich das Kinn und tat, als würde er überlegen. »Hm, vielleicht, weil unsere Eltern in Florida leben und keiner von uns in den letzten zehn Jahren mit ihnen gesprochen hat? Das wäre bestimmt toll, wenn ich sie anrufen und ihnen eröffnen würde, dass sie doch bitte kurz mal Hendrik für die nächsten zehn oder zwanzig Jahre bei sich aufnehmen sollen. Und das, weil sein Vater kurz mal in den Knast muss, weil er seine Frau erschlagen hat. Nicht, dass sie überhaupt wissen, dass sie Großeltern sind. Die würden sich bestimmt ein zweites Loch in den Hintern freuen! Abgesehen davon wissen wir weder, wo sie wohnen, noch, ob sie überhaupt noch leben. Hast du weitere solcher fantastischen Ideen, Holger? Die bringen uns gerade echt weiter!« Da war was dran. Unsere Eltern hatten Deutschland und...