Abdelaal / Aslan / Salich | Willkommen in Kairo | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 186 Seiten

Reihe: Arabische Welten

Abdelaal / Aslan / Salich Willkommen in Kairo

Geschichten aus Ägypten

E-Book, Deutsch, 186 Seiten

Reihe: Arabische Welten

ISBN: 978-3-85787-913-5
Verlag: Lenos
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



»Willkommen in Kairo« ist eine einzigartige Einladung, das Land am Nil aus der Sicht ägyptischer Erfolgsautorinnen und -autoren zu entdecken. Die Texte, sorgfältig ausgewählt aus der Reihe zeitgenössischer arabischer Literatur im Lenos Verlag, bestechen durch ihre erzählerische Brillanz und ihre authentische Perspektive auf die ägyptische Gesellschaft. Sie handeln vom Alltag, benennen kompromisslos Tabus, führen soziale Ungerechtigkeiten vor Augen oder stellen mit Selbstironie und Witz kulturelle Normen in Frage. So wettert ein Taxifahrer über die Torturen bei der Führerscheinerneuerung - ein kafkaesker Albtraum voller kostspieliger Amtsbesuche. Eine arme Mutter weiss sich gegen den Hunger zu helfen, indem sie mit einem Geheimpolizisten eine Abmachung trifft. Lustvoll zu lesen ist auch von den Sehnsüchten und Sorgen junger Frauen auf Männersuche und vom geheimen Nachtleben der Schwulen in einer Bar der Kairoer Innenstadt. Die Anthologie versammelt herausragende literarische Zeugnisse, die die ägyptische Gesellschaft unter die Lupe nehmen und zugleich Abbild ihres kulturellen Reichtums sind.
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Weitere Infos & Material


Chalid?al-Chamissi:?Unterwegs?im?Taxi
Alaa?al-Aswani:?Hier?wird?nicht?gefummelt
Salwa?Bakr:?Eine?Frau?auf?dem?Gras
Ghada?Abdelaal:?Eine?Mistgesellschaft
Alaa?al-Aswani:?Ein?abgetragenes?Kleid?und?ein?Kopftuch
Sonallah?Ibrahim:?Die?strahlendste?arabische?Persönlickeit
Gamal al-Ghitani: Weicher?als?Seide,?sanfter?als?Moschusduft
Sabri?Mussa:?Der?Goldbarren
Jussuf?Idris:?Der?Stuhlträger
Chalid?al-Chamissi:?Tag?der?Erleuchtung
Alaa?al-Aswani:?Die?schöne?Frau?eines?Häftlings
Jussuf?Idris:?Der?Abschaum?der?Menschheit
Sabri?Mussa:?Der?Apfel?an?meinem?Trauerbaum
Salwa?Bakr:?Engel?ohne?Flügel
Tajjib?Salich:?Ihre?Augen?wie?die?Farbe?Kairos
Ibrahim?Aslan:?Der?Spatz?am?Ende?der?Schnur
Die?Autorinnen?und?Autoren


Chalid al-Chamissi
Unterwegs im Taxi
»Wenn ich Ihnen erzähle, was mir passiert ist, werden Sie mir nicht glauben«, sagte der Fahrer. »Seit über zwanzig Jahren fahre ich Taxi und habe eine Menge gesehen. Aber was ich gerade erlebt habe, übertrifft alles, was mir je untergekommen ist.« »Erzählen Sie schon«, sagte ich. »In Schubra hat mich eine Frau mit einem Nikab angehalten, die nach Muhandissîn wollte. Sie hatte eine grosse Tasche dabei und setzte sich nach hinten. Kaum waren wir auf der Brücke des 6. Oktober1, bemerkte ich, wie sie erst nach rechts und nach links schaute und dann den Nikab ablegte. Ich sah sie im Rückspiegel, denn unter dem grossen Spiegel habe ich noch einen kleinen angebracht, damit ich sehen kann, was hinten passiert. Schliesslich muss man auf der Hut sein. Vorsicht ist besser als Nachsicht. Jedenfalls trug sie plötzlich nur ein einfaches Kopftuch. Ich war überrascht, sagte aber nichts. Dann nahm sie das Kopftuch ab. Sie hatte Lockenwickler, die nahm sie raus und tat sie in ihre Tasche. Dann begann sie sich die Haare zu bürsten. Als sie bemerkte, dass ich sie durch den Rückspiegel beobachtete, schrie sie auf: ›Schauen Sie nach vorn!‹ Ich fragte: ›Aber was machen Sie denn da?‹ Sie brüllte: ›Das geht Sie nichts an. Fahren Sie, und seien Sie still!‹ Ehrlich gesagt wollte ich schon anhalten und sie rauswerfen. Doch ich sagte mir, dass mich das tatsächlich nichts angeht. Und zudem: Mal sehen, was sie noch alles ablegt. Als Nächstes zog sie ihren Rock aus. Toll, dachte ich, da hab ich ja ne Gratisvorstellung! Als ich wieder hinschaute, trug sie einen Minirock und eine schwarze Strumpfhose. Sie faltete den langen Rock und packte ihn in die Tasche. Dann knöpfte sie ihre Bluse auf. Ich starrte in den Spiegel, und als das Auto vor mir plötzlich bremste, wäre ich fast hinten reingefahren. Sie schrie mich an wie eine Irre: ›Du alter Knacker, schäm dich! Guck nach vorne und fahr!‹ Sie zog eine hübsche enganliegende Bluse an, und ich hielt meine Klappe. Die andere Bluse legte sie in die Tasche. Dann nahm sie ihr Schminkzeug heraus, malte sich die Lippen an, legte Rouge auf und tuschte sich die Wimpern. Kurz und gut, als ich von der Brücke herunter nach Dukki fuhr, war sie eine völlig andere Frau. Kaum zu glauben, dass sie dieselbe Person war, die verschleiert in Schubra bei mir eingestiegen war. Zum Schluss streifte sie ihre einfachen Schlappen ab und zog High Heels an. Ich sagte: ›Junge Frau, jeder von uns hat ja so seine Eigenarten, aber erzählen Sie mir doch bitte, was mit Ihnen los ist.‹ ›Ich steige in der Muhi-al-Dîn-Abu-al-Is-Strasse aus.‹ Ich blieb still und wiederholte meine Frage nicht. Doch dann fing sie an zu erzählen: ›Ich arbeite als Kellnerin in einem Restaurant. Das ist ein anständiger Job. Ich bin eine anständige Frau und gehe einer ehrlichen Arbeit nach. Während der Arbeit muss ich gut aussehen. Aber in meinem Viertel kann ich nur mit dem Nikab das Haus verlassen. Eine Freundin hat mir einen gefakten Arbeitsvertrag mit einem Spital in Ataba besorgt. Meine Familie glaubt, ich würde dort arbeiten. Als Kellnerin verdiene ich jedoch tausendmal mehr. An einem einzigen Tag kriege ich so viel Trinkgeld, wie ich in einem ganzen Monat in diesem lausigen Spital verdienen würde. Meine Freundin kassiert von mir hundert Pfund im Monat, damit sie den Mund hält. Die kümmert sich eh nur um sich selbst. Normalerweise ziehe ich mich immer bei ihr um. Aber heute ging das nicht, also musste ich es im Taxi tun. Noch Fragen, Herr Staatsanwalt?‹ ›Meine Dame, ich bin kein Staatsanwalt, und wenn ich einen sähe, würde es mir glatt die Sprache verschlagen. Ich habe mich nur gewundert, dass Sie sich hier im Taxi umziehen, und wollte wissen, warum.‹ Dann bedankte ich mich, dass sie mir ihre Geschichte erzählt hatte. Ganz im Ernst, mein Herr, ist das nicht bizarr?« »Vor diesem Tag zitterte ich vier Monate lang. Tag für Tag sagte ich zu mir: Noch fünfzig Tage, noch fünfundvierzig Tage … Es war wie ein Albtraum, der mich plagte, wie ein Fluch, dem ich nicht entkommen konnte. Wissen Sie, der Taxiführerschein muss alle drei Jahre erneuert werden. Was man in diesen Tagen durchmacht, streicht man am besten jedes Mal schnellstens aus seiner Erinnerung. Die drei Jahre danach vergehen wie im Fluge, und schon geht das Ganze von vorne los, und man ist völlig hilflos. Ich werde Ihnen, mein Herr, von der Tortur erzählen, die ich ertragen musste. Bis wir in Schubra ankommen, ist die Geschichte zu Ende, und so vertreiben wir uns die Zeit. Ich fuhr also zum Verkehrsamt in Madînat al-Salâm. Ich wohne in Dar al-Salâm. Beide Namen bedeuten ›Frieden‹, aber um von mir zum Verkehrsamt zu kommen, muss ich mit drei verschiedenen Buslinien fahren, das bedeutet dreimal Streit und dauert mindestens zwei Stunden. Im Verkehrsamt erfuhr ich dann, welche Dokumente ich vorlegen musste: ein polizeiliches Führungszeugnis mit Fingerabdrücken und Foto, eine Bescheinigung der Sozialversicherung, eine von der Gewerkschaft und ein Arztzeugnis. Natürlich würde man vom Verkehrsamt zur Filiale Bassatîn der Sozialversicherung in Maâdi drei Stunden brauchen, denn das eine liegt ganz im Norden und die andere ganz im Süden der Stadt. Vor Büroschluss hätte ich das nicht mehr geschafft. Also fuhr ich am nächsten Tag dorthin. Der Beamte, der für die Bescheinigungen zuständig ist, sagte: ›Bezahlen Sie erst, und kommen Sie dann wieder zu mir!‹ Ich ging zur Kasse, vor der eine unglaublich lange Schlange stand. Ich bezahlte vierhundertvierundzwanzig Pfund für die drei Jahre und ging zu dem Beamten zurück. Der stellte mir eine Quittung aus und schickte mich nach oben, um Unterschrift und Stempel zu holen. Dann sollte ich wieder zu ihm kommen. Also ging ich die Treppe hoch zu einer Frau und sagte zu ihr: ›Ich möchte gern eine Unterschrift und einen Stempel.‹ Doch sie sagte mir, ich solle zu Frau Soundso gehen. Frau Soundso schickte mich zu Frau Sowieso. Ich machte eine ganze Runde, bevor eine Beamtin endlich unterschrieb und mir sagte, den Stempel müsse ich mir aber im Büro der Direktorin im anderen Flügel holen. Ich ging zur Direktorin, doch die war gerade auf der Toilette. Ich wartete darauf, dass sie zurückkam, aber umsonst. Ich überlegte, ob sie wohl gerade entbunden wurde. Nach einer geschlagenen Stunde kam sie dann doch zurück und stempelte die Papiere. Ich ging wieder hinunter zum ersten Beamten, musste aber eine halbe Stunde auf ihn warten. Er schaute sich die Unterlagen an und sagte: ›In Ordnung, Sie können gehen.‹ Hätte er mir das nicht vorher sagen können? Dann hätte ich nicht noch auf ihn warten müssen. Immerhin war ich wieder draussen. Am selben Tag auch noch zur Gewerkschaft zu fahren war natürlich nicht möglich, denn die ist in Abduh Pascha in Abbassîja. Von Maâdi nach Abbassîja ist es eine Weltreise. Am nächsten Tag fuhr ich also zur Gewerkschaft nach Abduh Pascha. ›Guten Morgen, guten Morgen.‹ Ich gab dem Funktionär meinen alten Mitgliedsausweis, und er verlangte einhundertfünf Pfund von mir. Ich fragte ihn: ›Warum einhundertfünf?‹ Er sagte: ›Es ist teurer geworden, wussten Sie das nicht?‹ Ich antwortete: ›Nein, das hat mir keiner gesagt. Man verheimlicht mir solche Dinge, da ich herzkrank bin.‹ Er meinte: ›Wie dem auch sei, es steht alles dort am Schwarzen Brett. Schauen Sie selbst nach.‹ Ich sagte: ›In Ordnung‹, schaute mir den Anschlag an, rechnete die Beiträge nach und kam auf eine Summe von dreiundachtzig Pfund. Ich ging zu ihm zurück und beschwerte mich: ›Es sind nur dreiundachtzig Pfund, wieso sagen Sie dann einhundertfünf?‹ Er antwortete: ›Der neue Beitragssatz wurde rückwirkend eingeführt. Sie müssen die Differenz für die letzten drei Jahre nachzahlen.‹ Darauf fragte ich ihn: ›Sie meinen die drei Jahre, die ich schon vor drei Jahren bezahlt habe?‹ Er nickte, und ich hakte nach: ›Und so einen rückwirkenden Erlass gibt es wirklich?‹ Er winkte ab. ›So funktioniert das System. Zahlen Sie nun, oder zahlen Sie nicht?‹ Da ich keine Wahl hatte, zahlte ich natürlich. Aber etwas beschäftigte mich noch, und ich bat ihn: ›Darf ich Sie noch was fragen?‹ – ›Nur zu.‹ – ›Welchen Nutzen haben wir eigentlich von dem ganzen Geld, das wir hier bezahlen?‹ – ›Gar keinen‹, antwortete er. ›Und Sie sagen mir das offen ins Gesicht‹, erwiderte ich, ›Gott schütze Sie.‹ Da fiel mir ein anderer Typ auf, der gerade seine Beiträge bezahlte und nach diesem und jenem fragte. Die sagten ihm, es wäre für die Solidaritätskasse. Darauf meinte er: ›Ich will bloss den Gewerkschaftsbeitrag bezahlen, ich brauche niemanden, der zu meiner Beerdigung kommt. Das ist nicht eure Angelegenheit, und ich will nicht in die Solidaritätskasse einzahlen.‹ Als ich ging, diskutierten sie immer noch. Wie das Ganze ausging, weiss ich nicht. Hoffentlich langweile ich Sie nicht. Aber Sie sehen ja noch recht wach aus, also erzähle ich mal weiter. Am nächsten Tag ging ich zur Polizeiwache in Bassatîn, um mir mein Führungszeugnis zu holen. Das war eine Tortur. Ich werde Ihnen sagen, warum. Nachdem ich lange in der Schlange gewartet hatte, verlangte ein Polizist, ich solle mir eine Polizeimarke2 besorgen. Ich ging hinein, um sie zu kaufen, doch die sagten mir: ›Nein, gehen Sie zur Wache in Maâdi oder in al-Chalîfa.‹ Ich fragte: ›Warum? Sind die Marken dort schöner?‹ – ›Nein, du Komiker‹, erhielt ich zur Antwort, ›die Polizeimarken werden dort verkauft, hier nicht.‹ – ›Aber wieso denn das? Ist das hier etwa keine Polizeiwache? Warum haben Sie dann keine Marken? Sie wollen, dass ich...


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